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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0044

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Politik dynastischer Bindungen

Hieran zeigen sich zugleich zwei weitere Elemente auswärtigen Handelns, die
zu untersuchen sein werden: Das Verhältnis von dynastischer Politik zu einer Poli-
tik der Verhandlungen und Verträge sowie der Rang der Diplomatie für das Zu-
standekommen grenzübergreifender Beziehungen. Wie verhielten sich dynastische
und politische Verbindungen zwischen den Königreichen? Sie konnten zweifellos
einander ergänzen, wohl aber auch unverbunden bleiben oder gegeneinander ste-
hen. Wie effektiv und verläßlich war das Gesandtschaftswesen und wie funktio-
nierte der diplomatische Verkehr zwischen den Höfen?
Es ist also nicht damit getan, über Ereignisse zu berichten. Ebenso muß nach
dem Beziehungsgeflecht gefragt werden, vor dessen Hintergrund sie möglich und
in das hinein sie geplant und durchgeführt wurden. Was Sigmund an bewährten
wie neuen Techniken wählte, um seine auswärtige Politik zu gestalten, folgte viel-
leicht auch persönlichen Vorlieben, sicher aber den zeitbedingten Möglichkeiten,
die ihm ein besonderes Wirkungsfeld eröffneten. Innerhalb dessen zu handeln, for-
derte dann die Fähigkeiten des einzelnen heraus. Insofern wird davon zu sprechen
sein, daß Sigmunds Politik gegenüber Frankreich und England tatsächlich eine per-
sönliche Politik war, die hohes eigenes Engagement und selbständige Entscheidun-
gen forderte und deren Erfolg davon abhing, daß es gelang, die anderen für den ei-
genen Weg zu gewinnen.
Programmatik und Propaganda standen hier in einem unvermeidlichen Span-
nungsverhältnis zur Wechselhaftigkeit der Verhältnisse und zur Notwendigkeit, oft
schnell und durchaus auch aus vordergründigen Überlegungen heraus zu ent-
scheiden. Ähnlich verwoben sich die Ebenen der Politik miteinander: Interessen der
abendländischen Christenheit, der lateinischen Kirche, der westlichen Monarchien,
der einzelnen Reiche und der regierenden Häuser. Sigmunds Politik gegenüber
Frankreich ist stets danach zu befragen, inwieweit sie Reichsinteressen vertrat oder
solche des Hauses Luxemburg. In beidem - und gerade auch in beider Verbindung -
folgte er wiederum den Traditionen seines Vaters.
Karl Schnith hat 1978 die Grundzüge der England-Politik Karls IV. aufgezeigtr
Das Eingehen Karls auf englische Interessen und sein moderates Bemühen um Ge-
meinsamkeiten bis hin zum Allianz vertrag von 1348 erklärt sich danach vor allem
aus dem habsburgisch-luxemburgischen Gegensatz im Reich, der wiederum wech-
selseitig mit dem Konflikt zwischen Eduard III. von England und der französischen
Krone verschränkt war. Bald nach Abschluß des Vertrages begann sich eine Lösung
der Spannungen im Reich abzuzeichnen, so daß Karl allmählich, obwohl er formell
den Allianzvertrag 1357 erneuerte, von den Bindungen an England abrückte. Voll-

2 Karl Schnith, Grundzüge der Europapolitik. England. In: Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mä-
zen. Hrsg. v. Ferdinand Seiht. München 1978, S. 161-164. Zur Italienpolitik Karls IV. zuletzt El-
len Widder, Itinerar und Politik. Studien zur Reiseherrschaft Karls IV südlich der Alpen. (For-
schungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta
Imperii, 10). Köln/Weimar/Wien 1993. Zur Historiographie bis zum ausgehenden 14. Jahrhun-
dert vgl. jetzt Norbert Kersken, Geschichtsschreibung im Europa der »nationes«. Nationalge-
schichtliche Gesamtdarstellungen im Mittelalter. (Münstersche Historische Forschungen, 8).
Köln/Weimar/Wien 1995, zu England S. 264-304 (mit Angaben zu Quellenwerken und Auto-
ren, die im folgenden zitiert werden, so der Brut-Chronik und dem Chronisten Ranulph
Higden).
 
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