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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0358

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344

Basel, Burgund und Italien seit 1431

Im Umfeld von Sigmunds Kaiserkrönung und Aufenthalt in Oberitahen, 1433,
müssen die Verhandlungen zwischen Orleans und Ferrara noch nicht beendet ge-
wesen sein. Vorausgesetzt, daß Sigmund von dem diplomatischen Vorhaben Or-
leans Kenntnis hatte, so ist zumindest nicht auszuschließen, daß seine Hinwendung
zu Ferrara versuchen sollte, die früher engen Bindungen an Orleans wieder aufzu-
nehmen. Seine Politik gegenüber Ferrara wäre dann - neben den anderen, eingangs
umrissenen Absichten - auch als späte Wiederaufnahme seiner früheren Frank-
reichpolitik zu erklären. Politische Folgen hatte dieses Unterfangen, sollte es sich so
zugetragen haben, dennoch nicht.
Hingegen zeigte Sigmunds Annäherung an Ferrara Wirkung auf literarischem
Gebiet. Bereits im April 1432 traf in Parma der Paduaner Rechtsgelehrte Dr. Tom-
maso Cambiatore mit Sigmund zusammen und wurde von ihm zum Poeta laurea-
tus gekürtr" Obwohl er aus Reggio stammte, stand er zu diesem Zeitpunkt im
Dienst der Este von Ferrara. Der Florentiner Humanist und renommierte Dichter
Poggio Bracciolini, der in Rom 1433 einen brieflichen Traktat aus Anlaß der Kaiser-
krönung Sigmunds verfaßte, folgte in den Jahren 1431 bis 1447 seinem Dienstherrn,
Papst Eugen IV., auf eine Reise nach Florenz, Bologna und Ferrara W Sein Brief über
die Kaiserkrönung ist heute in einer Münchener Sammelhandschrift überliefert, die
zugleich ein Schreiben des Leonello d'Este an Papst Eugen und weitere Stücke ent-
hält, die im Zusammenhang mit Leonello stehen.^ Mit einiger Wahrscheinlichkeit
waren Poggio und Leonello, zumindest im Umfeld der Reisen des Papstes, in Kon-
takt zueinander getreten.
Niccolö d'Este hatte 1429 zur Erziehung seines Sohnes Leonello den angesehe-
nen Humanisten Guarino Guarini Veronese an seinen Hof gerufen.^" Guarino rich-
tete gleichzeitig eine Privatschule in Ferrara ein, deren Schüler sich aus mehreren
europäischen Ländern rekrutierten und trug so dazu bei, daß Leonello später einen
Kreis von Humanisten unterschiedlicher Herkunft und Zugehörigkeit um sich ver-
sammeln konnte, an deren Gesprächen, Briefwechseln und dichterischer Tätigkeit
er selbst Anteil hatte. Mit Ausnahme von Leonardo Bruni Aretino und wenigen an-
deren errang die Mehrzahl der Mitglieder dieses Kreises keine bleibende Bekannt-
heit. Dennoch wurden ihre poetischen Werke und Traktate erstaunlich weit ver-
breitet. Paul Oskar Kristellers Iter Italicum verzeichnet Textzeugen in mehr als 60
Handschriftenbibliotheken aus ganz Europa.^

222 Beinhoff, Italiener, S. 271, 323 u.ö.
223 STAA München, Cod. lat. 78, fol. 201r-202v. Zur Biographie Helene Harth, Art. Poggio Braccio
lini. In: LexMA 8, Sp. 38 f. Zu Werdegang und Reisetätigkeit, unter anderem nach England
(1418-1423) auch Günther Böhme, Bildungsgeschichte des frühen Humanismus. Darmstadt
1984, passim. Vermutlich wird Poggio auch im Gefolge Eugens IV. gewesen sein, als dieser den
byzantinischen Kaiser 1438 feierlich von Venedig zum Konzilsort Ferrara führte. Ebd., S. 144.
224 SUB München, Cod. lat. 78, fol. 70v-71r. Ein Schreiben Kaspar Schlicks an Leonello ist überlie-
fert in SUB München, Cod. lat. 5311, fol. 213r-v.
225 Bocchi, Art. Este, Niccolö III. d', Sp. 32. Böhme, Bildungsgeschichte, S. 176. Hanna-Barbara Gerl,
Art. Guarino Guarini Veronese. In: LexMA 4, Sp. 1761.
226 Iter Italicum. A finding list of uncatalogued or incompletely catalogued humanistic manuscripts
of the Renaissance in italian and other libraries. Hrsg. v. Paul Oskar Kristeller. 1.1. Italy. Lon-
don/Leiden 1963. 3. Alia itinera, 1. Australia to Germany. London/Leiden 1983. Index. Lon-
don/Leiden 1987.
 
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