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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

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Hehl, Ernst-Dieter: Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts. Einleitende Bemerkungen zu Anforderungen und Leistungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0018

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Emst-Dieter Hehl

sich von der Person des jeweiligen Papstes, in dessen Namen sie ergangen waren,
gelöst und wurden in den spezifischen Formen ihrer Sammlung zu Dokumenten
des Papsttums und seines Selbstverständnisses an sich. Was das Papsttum war,
konnte man nachlesen, hier gab es ein sich ständig ergänzendes Reservoir an Texten
mit einem in der universitären Lehre - bei allen Unterschieden im einzelnen - ent-
wickelten und verbreiteten Interpretationsraster.
Das Römische Recht, das sich die weltlichen Herrscher zunutze machen konn-
ten, war ein Textcorpus, das eine schon lang vergangene Wirklichkeit spiegelte. Al-
lein ein Kaiser konnte es ergänzen und fortschreiben. Das geschah selten. Friedrich
Barbarossas Scholarenprivileg ist das wichtigste Beispiel aus dem 12. Jahrhundert14.
In sehr viel stärker abstrahierender Form, als es in dem aktuelleren kanonischen
Recht der Fall war, ließen sich die Begriffe des Römischen Rechts auf die zeitgenös-
sische Welt übertragen, begriffliche Fort- und Neubildung waren aber kaum mög-
lich15. Die wissenschaftliche Interpretation konnte der Kaiser kaum beeinflussen16,
weil seine Herrschaftspraxis weder auf kontinuierlicher Gesetzgebung noch auf
kontinuierlicher Rechtsentscheidung nach den Kriterien des Römischen Rechts be-
ruhte17.
Das Selbstverständnis weltlicher Herrschaft mußte immer noch punktuell kon-
kretisiert und in ständiger Wiederholung verstetigt werden: in den Formeln der ein-
zelnen Urkunden - besonders den Arengen18, der Herrscherdarstellung auf dem
Siegel der Urkunde19 und in der zeremoniellen Repräsentation des Herrschers und
14 MGH DF 1.243.
15 Vittore Colorni, Die drei verschollenen Gesetze des Reichstages bei Roncaglia, wieder aufge-
funden in einer Pariser Handschrift (Bibi. Nat. Cod. Lat. 4677). Deutsche Übersetzung von Gero
Dolezalek (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. Neue Folge 12), Aa-
len 1969; Dietmar Willoweit, Fürst und Fürstentum in Quellen der Stauferzeit, in: Rheinische
Vierteljahrsblätter 63,1999, S. 7-25.
16 Johannes Fried, Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert. Zur sozialen Stellung
und politischen Bedeutung gelehrter Juristen in Bologna und Modena (Forschungen zur Neue-
ren Privatrechtsgeschichte 21), Köln 1974, S. 52ff. (bes. S. 56) und S. 133ff.
17 Elmar Wadle, Der Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas und das gelehrte
Recht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte. Karl Kroeschell zum 60. Geburtstag dargelegt
von Freunden, Schülern und Kollegen, hg. von Gerhard Köbler (Rechtshistorische Reihe 60),
Frankfurt a. M. u. a. 1987 S. 548-572; Jürgen Petersohn, Kaiser, Papst und römisches Recht im
Hochmittelalter. Friedrich Barbarossa und Innocenz III. beim Umgang mit dem Rechtsinstitut
der langfristigen Verjährung, in: Mediaevalia Augiensia. Forschungen zur Geschichte des Mit-
telalters. Vorgelegt von Mitgliedern des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Ge-
schichte, hg. von Jürgen Petersohn (Vorträge und Forschungen 54), Stuttgart 2001, S. 307-348,
hier S. 346ff. Petersohn stellt die Bedeutung des römischen Rechts für die Italienpolitik Barba-
rossas heraus, aber gerade deshalb sei es »eine Art Partikularrecht« gewesen, und: »Das Kaiser-
tum bediente sich seiner in bestimmten Rechts- und Herrschaftszusammenhängen, aber es be-
ruhte nicht auf ihm« (S. 347).
18 Dazu grundsätzlich Heinrich Fichtenau, Arenga. Spätantike und Mittelalter im Spiegel von
Urkundenformeln (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergän-
zungsband 18), Graz 1957. An dem Beispiel des Präskriptionsrechts sind soeben die Konsequen-
zen des Fehlens von Rechtssammlungen auf kaiserlicher Seite und ihres Vorhandenseins auf
päpstlicher dargestellt worden, vgl. Petersohn, Kaiser, Papst und römisches Recht (wie
Anm. 17) S. 344ff.
19 Daß über das Siegelbild Herrschaft definiert und eine symbolische Kommunikation zwischen
Aussteller und Empfänger stattfand, hat für das 8. bis frühe 11. Jahrhundert Hagen Keller in
mehreren Studien betont; vgl. Hagen Keller, Zu den Siegeln der Karolinger und der Ottonen.
 
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