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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Felten, Franz J.: Kaisertum und Papsttum im 12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0131

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Kaisertum und Papsttum im 12. Jahrhundert

123

Fürsten des Reiches sich seiner Autorität bedingungslos unterordnen ..., seinen ab-
soluten Vorrang im Reich anerkennen (sollten)«? Mit welcher Sicherheit läßt sich sa-
gen, daß das »künftige Handeln des Staufers vollständig davon bestimmt (war), die
aus dem Kaisertum entwickelte Autorität, die daraus abgeleiteten Rechte und Ver-
pflichtungen, konsequent und demonstrativ wahrzunehmen und durchzuset-
zen«129? Aus dem (aus Handlungen erschlossenen) >Konzept< kaiserlicher Politik
aber wird wiederum das Handeln im einzelnen >erklärt<.
Wie aber können wir wissen, das wurde in bewegten Diskussionen insbeson-
dere auf der Reichenau deutlich, was der Kaiser und seine Ratgeber >wollten<, um
überhaupt ermessen zu können, was sie vermochten, wo und woran sie scheiterten?
War es die »Schaffung der Reichseinheit und damit eines Friedenssystems durch die
majestätische Gewalt des Kaisertums«130?
Noch in meiner Studienzeit war es beispielsweise selbstverständlich, daß Bar-
barossa sich um den »Ausbau der staatlichen Gewalt in Deutschland bemühte«131,
die immer noch in einem seit langem vertrauten Spannungsverhältnis zur Kaiser-
und Italienpolitik gesehen wurde. Freilich legte man ihr nicht mehr den echten oder
vermeintlichen Rückfall Deutschlands im Vergleich zu den aufsteigenden West-
mächten zur Last, betonte aber gerne ihre für >Deutschland< förderlichen Aspekte.
Inzwischen ist auch das Bild der bewunderten bzw. beneideten westeuropäi-
schen Nationalstaaten< matter, deren >Vorsprung< vor dem >Reich< kleiner gewor-
den: 1993 stellte Timothy Reuter, exzellenter Kenner des deutschen wie des engli-
schen 12. Jahrhunderts, den >mittelalterlichen deutschen Sonderweg< in Frage: zum
einen verwies er auf die großen strukturellen Unterschiede zwischen dem > großem
Kaiserreich und den >kleinräumigen< Herrschaften des Westens. Zum anderen seien
die Unterschiede nicht selten eher scheinbar denn real gewesen. Auch in Deutsch-
land habe es Ansätze zu einem administrativen Königturm gegeben, nicht zuletzt
weil auch die Könige als Dynasten ihre Herrschaft auf Kosten anderer konsolidieren
wollten132; dahinter stehen die uns wohlvertrauten Phänomene wie Reichslandpoli-
tik und Einsatz von Ministerialen133. Umgekehrt hätten nicht nur deutsche Herr-
scher über polyzentrische Reiche geherrscht oder mit ihren Fürsten kooperieren
müssen; nur im nachhinein scheine es, als ob westliche Herrscher die Tropfen gewe-
sen seien, um die sich die Regenwolken des modernen Staates hätten formieren

129 Weinfurter, Wendepunkte (wie Anm. 111), S. 31; vgl. ebd.: »Autorität und Vorrang durch das
Kaisertum: Das war von Anfang an das Programm des Staufers und seiner Vertrauten. Unter
der Autorität des Kaisertums sollten die Kräfte des Reiches, die sich in den fortschreitenden
Adels- und Landesherrschaften formierten, gebündelt werden, sollte noch einmal die Einheit
des Reiches - man muß wohl sagen: erzwungen werden. Schaffung der Reichseinheit und da-
mit eines Friedenssystems durch die majestätische Gewalt des Kaisertums, so könnte man diese
Konzeption umschreiben«; vgl. auch seinen Beitrag in diesem Band.
130 Wie vorige Anm.
131 Statt Heimpel und vieler anderer als »unverdächtiger« Zeuge Kempf, Das mittelalterliche Kai-
sertum (wie Anm. 88), S. 235; vgl. auch die knappen Anmerkungen Haverkamps in seiner Ein-
führung (wie Anm. 15), S. lOf.
132 Timothy Reuter, The Medieval German Sonderweg? In: Kings and Kingship in Medieval Euro-
pe, ed. Anne J. Duggan (King's College London Medieval Studies), London 1993, S. 179-211,
hier S. 209.
133 Er verweist auf Karl Leyser, Frederick Barbarossa and the Hohenstaufen polity, in: Viator 19,
1988, S. 153-176, bes. S. 175f.
 
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