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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Hehl, Ernst-Dieter [Oth.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

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Herklotz, Ingo: Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0309

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Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums

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Zumindest seit dem 10. Jahrhundert bezog das Papsttum auch die lateranensi-
sche Basilika in den Kreis der alttestamentlichen Anknüpfungen ein. Sergius III.
(904-911) setzte in der Kirche eine Inschrift, die das Gotteshaus mit dem Berge Sinai
vergleicht, auf dem Sinai nämlich nahm das mosaische Gesetz seinen Ursprung,
während das Recht der christlichen Kirche, so die unausgesprochene Folgerung, im
Lateran entsteht62. Die Verse ergänzen somit den gängigen Papst-Moses-Vergleich,
lassen aber bereits einen umfassenden Nachfolgeanspruch erkennen. Von einem
solchen Anspruch zeugen auch jene liturgischen Texte, die den Hauptaltar der La-
teranbasilika mit dem Allerheiligsten des Tempels und den Papst folgerichtig mit
dem Hohepriester in Verbindung bringen63. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts tau-
chen dann erstmals die Spolien des Salomonischen Tempels in der Überlieferung
auf.
Es dürfte sich kaum um einen Zufall handeln, wenn dies zu einem Zeitpunkt
geschieht, als das Thema Jerusalem noch unter einem zweiten Gesichtspunkt in die
Diskussion gerät. Einer der originellsten anti-päpstlich orientierten Autoren des In-
vestiturstreits, der um 1100 schreibende Normannische Anonymus, verneint mit
Nachdruck einen möglichen Vorrang des Petrus unter den Aposteln und folglich
auch jedweden Primat des Papstes unter den übrigen Bischöfen. Sofern überhaupt
eine Ortskirche nach der Vorherrschaft über die anderen trachten könne, so der Au-
tor, dann sei dies Jerusalem, die wirkliche Mutter, denn in Jerusalem habe Gott zu
seinen Propheten gesprochen und dort habe Christus das Priesteramt nach der Ord-
nung des Melchisedek auf sich genommen und den Aposteln ihren Missionsauftrag
erteilt64. Die Polemik des Anonymus knüpft an ein Primatsbestreben an, wie man es
zur Frühzeit des Christentums in Jerusalem selbst geäußert hatte65. Während des 12.
Jahrhunderts lebten seine Überlegungen weiter, und vor allem die byzantinischen
Kritiker des römischen Primats argumentierten auf analoger Ebene66. Von päpstli-
cher Seite ist Innozenz III. den Forderungen des Ostens am entschiedensten entge-
gengetreten. In einem Schreiben an den Patriarchen von Konstantinopel Johannes
Kamateros (12. November 1199) führt er aus, daß die Vorrangstellung der römi-

schen Kurie unter Innozenz III. in Subiaco, 1202, in: Historische Vierteljahrschrift 8, 1905,
S. 509-535, bes. S. 530,534f.; sowie die anonym publizierte Arbeit Novus regnat Salomon in die-
bus malis. Une satire contre Innocent III, in: Festschrift Bernhard Bischoff zu seinem 65. Ge-
burtstag, hg. von Johanne Authenrieth und Franz Brunhölzl, Stuttgart 1971, S. 372-390.
62 Vgl. zur Textüberlieferung und zur Datierung der Inschrift Herjklotz, Fassadenportikus (wie
Anm. 53), S. 74f.
63 Sible de Blaauw, The Solitary Celebration of the Supreme Pontiff. The Lateran Basilica as the
New Temple in the Medieval Liturgy of Maundy Thursday, in: Omnes circumadstantes. Contri-
butions towards a history of the role of the people in the liturgy presented to Herman Wegman
..., ed. by Charles Caspers and Marc Schneiders, Kämpen 1990, S. 120-143.
64 Karl Pellens (Hg.), Die Texte des Normannischen Anonymus, Wiesbaden 1966, S. 41f., und
dazu bes. Ullmann, Machtstellung (wie Anm. 6), S. 574f.
65 Nicolas Ladomerszky, Theologia orientalis, Rom 1953, S. 95-97, und bes. B. A. Senger, Mater
Ecclesia. Die Vorstellungen über die Kirche als Mutter von der Antike bis in die Karolingerzeit,
(unpubl. Dissertation) Bonn 1955, S. 254-257; Michele Maccarrone, Gerusalemme e Roma. II
pellegrinaggio di Paolo VI in Terra Santa alla luce dei rapporti tra il papato e l'oriente, in: Divi-
nitas. Pontificiae Academiae Theologicae Romanae Commentarii 9, 1965, S. 3-17, bes. S. 4-8;
Ferdinand R. Gahbauer, Die Pentarchietheorie. Ein Modell der Kirchenleitung von den An-
fängen bis zur Gegenwart, Frankfurt a.M. 1993, S. 46f., 69-71.
66 Spiteris, Critica (wie Anm. 6), passim; Gahbauer, Pentarchietheorie (wie Anm. 65), S. 184-209.
 
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