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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0019
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Forschungsstand und Quellensituation

7

Friedrich II. ab und kommt zu dem Ergebnis, daß der Gedanke der freien Wahl ge-
genüber dem Erbrecht seit 1077 erheblich in den Vordergrund trat und bis zum Ende
des 12. Jahrhunderts ein nicht mehr zu verdrängender Faktor wurde. Insofern be-
deutete nicht erst die Doppelwahl von 1198 den Durchbruch der freien Wahl".
Acht Jahre zuvor hatte sich Ulrich Reuling mit dem Thema der Königserhe-
bungen vornehmlich unter dem Aspekt der Kur befaßt. Seine vergleichende Studie
zur Kur in Deutschland und Frankreich umfaßt den Zeitraum von der Erhebung
Konrads II. 1024 bis zur Wahl Friedrichs I. mit einem kurzen Ausblick auf die wei-
tere Entwicklung bis 1198 und legt ihren Schwerpunkt »auf die vergleichende Ana-
lyse der hochmittelalterlichen Wahlformen« in den beiden Ländern". Im Unter-
schied zu Schmidt stellt Reuling also weniger die rechtserheblichen Grund-
lagen einer Wahl, die entweder in der Person des Königs (Erbrecht, Designation)
oder in der Gruppe der Wähler (freies Wahlrecht) begründet sind, sondern vielmehr
die Kur als rechtsförmlichen Bestandteil der weltlichen Wahlhandlungen
heraus, die er dann auf ihre Funktion und legitimatorische Kraft im gesamten Er-
hebungsakt hin untersucht. Er resümiert, daß sich die Kur, also die Stimmabgabe
der Großen, »auf die sog. freien Wahlen beschränkt« und hierbei »gegenüber der
Huldigung und Akklamation als den herkömmlichen Wahlformen durchgesetzt«
habe; 1158 sei »dieses Wahlverfahren schließlich als Gewohnheitsrecht und Norm
deklariert« worden". Allerdings unterscheidet er hiervon die Entwicklung bei den
Sohneswahlen; bei diesen sei erst 1147, also bei der Erhebung Heinrichs (VI.) zum
Mitkönig, eine Kur der Großen wahrscheinlich gewesen. Reuling sieht hier »ein
wichtiges Moment in dem Prozeß der Verfestigung der Kur als Wahlinstitution«, da
der Stimmabgabe der Großen nun eine rechtsbegründende Bedeutung zukomme".
Unter einem ganz anderen Gesichtspunkt hat sich Hagen Keller 1983 den Kö-
nigswahlen des 11. und frühen 12. Jahrhunderts genähert. Er machte darauf auf-
merksam, daß man schon seit 1002, verstärkt aber seit 1077, ein differenzierteres
Wahlverständnis bei den Fürsten beobachten kann, das einerseits die Idoneität des
Thronkandidaten in den Vordergrund rückt, andererseits die Bedeutung des ge-
meinsamen Wahlentscheids betont". Sein neuer Ansatz, der von den Motiven der
Großen und dem grundlegenden Verhältnis von Fürsten, König und Reich aus-
geht", vermag zu zeigen, daß die Entwicklung der Wahlen maßgeblich von dem
Selbstverständnis der Großen, von ihrem Verantwortungsbewußtsein für das Reich,
vorangetrieben wurde. Wie wenig dabei genuin rechtliche Aspekte eine Rolle spiel-

12 Ebd., S. 265.
13 REULING, Die Kur, S. 5.
14 Ebd., S. 200.
15 Ebd., S. 200f.
16 KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 139: »Dieses neue Verständnis vom Wahlvorgang ist einge-
bunden in die Zielvorstellung, daß die Wahl als einheitlicher Akt ein gemeinsames Handeln der
Großen für das Reich ist, durch den dem zu seiner Leitung Geeignetsten die Herrschaft über-
tragen werden soll. Wir stehen damit in einer Entwicklung, die das Reich zu einem auch ohne
den König handlungsfähigen Verband werden läßt, weil in diesem Falle die Fürsten in ihrer Ge-
samtheit die Verantwortung für das Ganze übernehmen können.«
17 Ebd., S. 129f.: »Der Hinweis auf die Erhebung Rudolfs von Rheinfelden verdeutlicht aber noch
einmal, daß in den Vorgängen selbst nur eine tieferliegende Entwicklung zutage tritt, die das
Verhältnis von König, Fürsten und Reich insgesamt betrifft.«
 
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