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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0037
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Die Formierung der fürstlichen Opposition gegen Heinrich IV.

25

Bis hierher standen die beiden Chronisten, ihrer Vorlage folgend, dem König
zwar kritisch, aber nicht ablehnend gegenüber, erkannten allerdings allmählich die
Berechtigung des sächsischen Widerstands an, ohne ihn jedoch gutzuheißen. Das
ändert sich mit der von Berthold zu 1073 überlieferten Nachricht, der König habe
einen Anschlag auf seine Räte geplant. Bertholds Berichterstattung wird nun merk-
lich selbständiger und auch ausführlicher. Noch im gleichen Jahr erwähnt er den
Abfall der drei süddeutschen Herzoge vom König, weil dieser ihr consiÜMttz mißach-
tete^. Zu 1074 bemerkt er, der König habe sich in Abwesenheit der drei Herzoge und
der übrigen Reichsfürsten in »heuchlerischer Weise« mit den Sachsen versöhnt (Te-
ccMcz'h'afMS gsf ?TX Saxomüns und zu 1075 wird der erneute Plan und die
Durchführung einer Heerfahrt nach Sachsen äußerst negativ geschildert. Immer
wieder wird die »List« des Königs bei seinen Vorhaben betont, die Doppelzüngig-
keit seiner Versprechen, die Ungerechtigkeit seiner Forderungen^. Eine Partei-
nahme für die Sache der Sachsen ist jetzt unverkennbar, und dabei befand sich
Berthold gewissermaßen in einem inneren Zwiespalt, denn zu den königlichen
Truppen gehörten auch schwäbische Aufgebote, denen natürlich seine Sympathie
gelten mußte. Bernold dagegen weiß von den Mordplänen Heinrichs IV. scheinbar
nichts^; er fährt in seiner Berichterstattung wie bisher mit einer kritischen Distanz
zum König fort, ohne sich aber auf die Seite von dessen Gegnern zu stellen. Erst mit
dem Jahresbericht zu 1076 ist bei ihm ein deutlicher Wandel seiner Einstellung zum
Herrscher zu bemerken, der eindeutig im Zusammenhang mit der Zuspitzung des
Konflikts mit dem Papsttum stehtA
Es läßt sich also auch bei den schwäbischen Quellen eine zunehmende Distanz
gegenüber Heinrich IV. feststellen. Der Aufstand der Sachsen wurde zwar zunächst
nicht unbedingt gutgeheißen, ihr Anliegen jedoch als gerechtfertigt eingestuft. Der
König hatte das Stammesrecht und die Freiheit eines Volkes zu akzeptieren und zu
schützen, und da der Salier dieser Pflicht nicht nachkam, setzte er sich selbst ins Un-
recht. Inwieweit allerdings das Unrechte Handeln des Herrschers den Widerstand
legitimierte, bleibt offen; aus der sicheren Entfernung machte man sich in Schwaben
wohl noch keine ernsten Gedanken über den >gerechten Krieg« Das änderte sich
erst mit der eigenen Betroffenheit: Als die Ungerechtigkeit des Königs sich gegen
den schwäbischen Herzog richtete, bezog man auch in Schwaben Stellung.

89 Berthold, Chronik, ad a. 1073, S. 275 (wie Anm. 37).
90 Berthold, Chronik, ad a. 1074, S. 276.
91 Berthold, Chronik, ad a. 1075, S. 277: arüßdosa iafeaü'oae; S. 278: iaoasioais tarn dolosae coasih'o; ;'a-
orü'aata Izac regis coach'oae; ebd.: coasiü'o an'aas saia&n'fer commaaicafo; S. 279: His et i:a:'as?aoA' in
afrara^ae parfear per saaWo^aos, iiiices, et corraptores iaferaaah'os aa'ais et proaa'ssis asfaü'ssüae ui-
n'faa ü'sseWaah's, faadem reg; etiam olz toi ;a;'ar;'as iliis iiiatas ^aas; dolorear saaalaaü poeaÜeaü'aiea;,
aianam creztaii et coa/aigates ejfecti saat...; ebd.: Qai aiox aWesaaü's aaricaiarioram saoraaz tzea/
perfaü'ose coaspiraas sasarriis ...
92 Ob er davon wirklich nichts weiß oder ob er die Nachricht nicht eher bewußt unterdrückt,
scheint mir fraglich, denn zum Jahr 1074, S. 430, heißt es bei ihm wie bei Berthold, die drei süd-
deutschen Herzoge hätten sich mit dem König versöhnt - eine Meldung, die ohne das vorher-
gegangene Zerwürfnis wenig Sinn macht.
93 Bernold, Chronik, ad a. 1076, S. 431-433. - Vgl. ROBINSON, Zur Arbeitsweise Bernolds von Kon-
stanz, S. 101, der den Beginn der publizistischen Tätigkeit Bernolds im Investiturstreit schon auf
etwa 1070/71 datiert, einen Höhepunkt aber um 1075/76 ausmacht.
 
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