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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0039
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Die Fürsten sind das Reich - aber wer ist der König?

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Papst dabei tatsächlich tätig wurde, ist den Quellen nicht zu entnehmen, aber sein
Anerbieten zeigt, daß er in dem Streit die Aufgabe des überparteilichen Richters,
des Schlichters und Friedenswahrers übernehmen wollte - eigentlich die Pflicht des
Königs, aber dieser war ja selbst zur Konfliktpartei geworden. Spätestens in dem
Moment jedoch, als Gregor 1076 das Absageschreiben der in Worms versammelten
deutschen Bischöfe und den Brief Heinrichs IV. erhielt^, in dem ihm befohlen wurde
abzudanken, war auch der Papst zur >Partei< geworden, was durch die Exkommu-
nikation des Saliers besiegelt wurde^E
Der Konflikt zwischen Herrscher und Papst, zwischen Regnum und Sacerdo-
tium soll hier nicht thematisiert werden"". Aber die unmittelbare Betroffenheit des
geistlichen Oberhaupts durch die Auseinandersetzungen wies ihn nun nicht mehr
lediglich als Schiedsinstanz, sondern vielmehr als geeigneten Bündnispartner für
die Gegner des Königs im Reich aus. Auf den ersten Blick mag es scheinen, als hätte
sich der königsfeindlichen Partei hier eine willkommene zusätzliche Legitimation
zum Widerstand gegen den ungeliebten Herrscher geboten, wenn sie sich nun der
Sache des Papstes annehmen wollte"A Doch diese Interpretation würde den Anlie-
gen der Opposition wohl nicht gerecht.
Zunächst kann man keinesfalls von einer einhelligen Interessenlage aller im
Widerstand gegen den Salier vereinten Parteien ausgehen. Mag auch das Ziel, näm-
lich ein Wandel der Herrschaftsverhältnisse im Reich, dasselbe gewesen sein, so ist
doch hinsichtlich des >Wie< und vor allem des >Warum< zu differenzieren. Denn ne-
ben den Sachsen, deren Motive im vorangegangenen Kapitel bereits dargelegt wur-
den und die am entschiedensten für die Wahl eines neuen Königs eintraten, schlos-
sen sich 1076/77 auch die süddeutschen Fürsten der Opposition an - oder vielmehr:
sie hoben den zunächst partiellen Widerstand der Sachsen auf eine neue, allgemei-
nere Ebene. Dabei war der erste Schritt aufeinander zu gewiß nicht einfach. Eine bei
Bruno geschilderte Szene beleuchtet schlaglichtartig die prekäre Situation, in der
man sich zu Beginn des Zusammengehens befand: Noch war die Erinnerung an die
letzte Schlacht, in der sich die Sachsen und die süddeutschen Herzoge mit ihren
Truppen feindlich gegenübergestanden hatten, nicht verblaßt, als die ehemaligen
Gegner übereinkamen, gemeinsam gegen Heinrich IV. vorzugehen. Daher traf man
sich zunächst in Tribur (heute Trebur) und schloß untereinander Frieden, wobei
Bruno insbesondere die Versöhnung zwischen Otto von Northeim, dem ehemaligen
Bayernherzog, und Welf IV., seinem >Nachfolger< in diesem Amt, erwähnt: »Des-

99 MGH Const. t, Nr. 58, S. 106-108; Nr. 62, S. llOf.
100 CASPAR, Register III, 6, S. 254f. und 10a, S. 268-271. Zu Gregor VII. als direktem »Kontrahenten«
Heinrichs IV. vgl. SucHAN, Königsherrschaft, S. 74f.
101 Vgl. dazu zuletzt SucHAN, Königsherrschaft, S. 93-112 mit Verweisen auf die einschlägige Lite-
ratur.
102 Vgl. JAKOBS, Rudolf von Rheinfelden, S. 94, der zunächst die »einhellige Forschungsmeinung«
dahingehend zusammenfaßt, »daß Rudolf von Rheinfelden der Kurie gegenüber ein allzu
durchsichtiges und von Gregor VII. auch durchschautes Spiel versucht habe, um für die Für-
stenpartei in der kirchlichen Verurteilung Heinrichs eine zusätzliche Legitimation zum Han-
deln zu finden«. Auch SucHAN, Königsherrschaft, S. 112, betrachtet die Situation als eine »gün-
stige Gelegenheit, sich gegen den Salier innerhalb einer aktionsfähigen Schwureinung zu
formieren«.
 
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