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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0040
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28

Diah'aa rggai ^isconha - Das entzweite Reich (1077-1125)

halb also gaben von unserer Seite Herzog Otto, der mit Gewalt seines Amtes beraubt
worden war, und von der anderen Seite Herzog Welf, der dasselbe Amt unrecht-
mäßig erhalten hatte, sich (...) gegenseitig den Friedenskuß ...«^
In der Tat ist dieser Friedensschluß bemerkenswert, sind doch in diesen beiden
Personen die äußersten Gegensätze repräsentiert, die auch die verschiedenen Par-
teien innerhalb der Opposition kennzeichneten. Otto von Northeim hatte sein Amt
verloren, als er - wahrscheinlich aufgrund einer Intrige - bei Heinrich IV. in Un-
gnade gefallen war; geächtet und zum Tod verurteilt, konnte er sich nur durch
Flucht der Rache des Königs entziehen. Daraufhin hatte er sich als Anführer der
Sachsen in ihrem Krieg gegen den Salier hervorgetan^. Persönliche Gründe und So-
lidarität mit seinem Volk können daher bei Otto wohl als Motive für seinen Wider-
stand geltend gemacht werden. Ganz anders Welf: Er hatte auf Fürsprache Rudolfs
von Rheinfelden das Herzogtum Bayern vom Herrscher übertragen bekommen^,
stand also in dessen Schuld. Mehr noch: Er hatte seine Gemahlin Ethelinde, die
Tochter Ottos von Northeim, ihrem Vater >zurückgeschickt< - ein ungeheurer Af-
front gegen den Northeimer, eine klare Stellungnahme für Heinrich IV., zu dessen
engerem Beraterkreis er lange Zeit gehörte"^! Die Gründe für seine Distanzierung
vom König liegen also nicht ohne weiteres auf der Hand.
Als sich Otto und Welf nun 1076 gegenüberstanden, galt es also nicht nur den
Zwist um das Herzogtum Bayern zu überwinden, sondern darüber hinaus auch die
persönliche Feindschaft beizulegen- ein schwerer Schritt, den sicherlich keiner
von beiden gern als erster tat. Was konnte die beiden Männer bewegen, dennoch
ihre privaten Interessen zurück-, die eigene Ehre hintanzustellen und die Versöh-
nung zu wagen?
Ein Blick auf die beiden anderen süddeutschen Herzoge, Berthold von Kärnten
und Rudolf von Schwaben, kann hier weiterhelfen. Auch sie hatten im Sachsen-
krieg wie Welf IV. auf Seiten Heinrichs IV. gekämpft, wenn sie sich ihm auch nicht
so unbedingt verpflichtet fühlen mußten wie jener. Tatsächlich hatten sich beide be-
reits einmal von dem Salier distanziert, weil sie sich in ihrer Ehre mißachtet fühl-

103 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 88, S. 82: Hmc ighar <7ax Oho, m'oleafer Sonore SMO pnhafas, h-
h'ac Waiph <7ax, go&m Sonore aoa laste sahh'mafas, (...) sihi mm'cern pacis oscala &&rant...
104 Vgl. vor allem Lampert, Annalen, ad a. 1074, S. 179, der sogar von dem Drängen der Sachsen
berichtet, Otto möge die königliche Gewalt über sie annehmen; auch in Brunos Buch vom Sach-
senkrieg nimmt Otto von Northeim stets eine führende Rolle unter den sächsischen Großen ein;
vgl. vor allem die berühmte Rede c. 25, S. 28-30, und die Aussage Brunos in c. 30, S. 33: Ohorn
r?Mc:', & ^Mo sciehaf omm'am coasih'a pea&re, honorem miasfe aMafam poih'cefar cam aagmeafo resh'-
faere, si se uehet in honorem pn'sh'aam re<7acere. Zur Stellung Ottos von Northeim vgl. allgemein
LANGE, Grafen von Northeim, zu seiner Situation seit Ausbruch der Sachsenkriege bis zu seiner
Begnadigung 1075 insbes. S. 31-58, zur Aussöhnung mit Welf, die er in der von Bruno be-
schriebenen Form für unrealistisch hält, S. 65f. Siehe ferner RÄDER, Otto von Northeim; SCHU-
BERT, Geschichte Niedersachsens, S. 291-294.
105 Lampert, Annalen, ad a. 1071, S. 118.
106 Zum Aufstieg der Welfen vgl. SCHNEIDMÜLLER, Große Herzoge, S. 49-61; ZoTZ, Welfen, Sp.
2147-2149; SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 109-111. Er meldet hier auch berechtigte
Zweifel an, ob die Ehe zwischen Welf und Ethelinde zum Zeitpunkt der Trennung tatsächlich
schon vollzogen worden war.
107 Vgl. SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 107-109.
 
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