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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0107
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Die Fürsten als Garanten der Reichsordnung: Die Wahl Lothars III.

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handlungsgremiums zu legend Auch hier hatte man auf die eigene Einflußnahme
verzichtet, um eine einhellige Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
Nachdem das Gremium seine Wahlbefugnis an die gesamte Versammlung
zurückgegeben hatte, wurden die Beratungen hier wieder aufgenommen. Vorsorg-
lich wurden die drei Kandidaten Lothar von Sachsen, Lriedrich von Schwaben und
Leopold von Österreich gefragt, ob ein jeder von ihnen zur Ehre der Kirche und des
Reichs sowie zur dauerhaften Empfehlung der freien Wahl bereit sei, die gemein-
same Entscheidung der Fürstenversammlung anzuerkennenV Die Fragestellung
offenbart noch einmal deutlich die beiden Hauptanliegen der Versammelten: das
Wohl von Kirche und Reich sowie die Wahrung der seit 1077 postulierten freien
Wahl, die zugleich die Anerkennung des fürstlichen Rechts bedeutete, über den
künftigen Herrscher zu entscheiden. Bis auf Friedrich von Schwaben, der sich der
Zusicherung entzog, leisteten die Kandidaten die geforderte Erklärung. Doch die
Weigerung Friedrichs machte alles bislang Erreichte wieder zunichte, denn »der
ganze bisherige Wahlvorgang war damit aufgehoben«^.
Während die Verhandlungen nun erneut völlig von vorne beginnen mußten,
brach jedoch plötzlich ein Tumult aus: Die Anhänger Lothars hoben diesen trotz sei-
nes Widerstands auf ihre Schultern und riefen: »Lothar soll König sein!« Die Ver-
sammlung drohte im Protest auseinanderzulaufen, was der Mainzer Erzbischof
Adalbert verhinderte, indem er die Türen des Versammlungssaals schließen ließV
Eindringlich ermahnte er die Anwesenden, keinen Thronfolgekrieg heraufzube-
schwören, sondern besonnen zu handeln. Die Urheber des Tumults hatten sich bei
den übrigen Fürsten und bei Lothar selbst zu entschuldigen. Dann ging man aber-
mals zu Beratungen über, um die Zustimmung aller Großen zu der Wahl Lothars zu

38 Vgl. oben S. 78. Das regional verstreute Auftreten der eiecü'o per co?npro??n'ssM?u in ihrer Frühzeit
- KLUGER, Bischof und König, S. 335-342, kann die elech'o per compromissMm sogar in den auf die
Marbacher Statuten zurückgehenden CowsMefMdines canom'ce von Lund nachweisen - wie auch
ihre Anwendung bei Abts-, Bischofs-, Königs- wie Papstwahlen legen den Schluß nahe, daß der
Gedanke geradezu »in der Luft lag« (MALECZEK, Abstimmungsarten, S. 108; hier auch weitere,
verwandte Beispiele von Kompromißentscheidungen, S. 110-112). Woher das Modell dieser Art
der Konfliktbeilegung durch Mittelsmänner stammte, ist nicht eindeutig zu klären. MALECZEK,
ebd., S. 114, denkt etwa an die Analogien zu schiedsgerichtlichen Verfahren des römischen oder
auch des kanonischen Rechts. Nicht auszuschließen ist vielleicht auch eine Anlehnung an die
Konfliktbeilegung im Bereich der Fehde, wo häufig Mittelsmänner (Aedüfores) einen Vergleich
(composih'o) herbeiführen sollten. Vgl. dazu die Ergebnisse der Konfliktforschung, allgemein
WEEDE, Konfliktforschung, sowie zahlreiche Beiträge ALTHOFES in: DERS., Spielregeln der Poli-
tik. - Für die Ebene der Reichspolitik allerdings stellte dieses Verfahren eine Neuerung dar, die
wohl erst durch die Problematik des parteiischen Königs<, der nicht mehr als oberste Schieds-
instanz akzeptiert wurde, notwendig geworden war.
39 >Narratio<, c. 3, S. 510f.: ... ad foÜMS ecdesiae regnd?Me honorem ef üherae dediorüs commendadowem
perpefMam f.. J facere uedef...
40 KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 157.
41 Hinsichtlich der - zweifellos herausragenden - Rolle Adalberts von Mainz bei der Wahl von
1125 gehen die Meinungen auseinander (vgl. etwa SPEER, Kaiser Lothar III., S. 51-71, der
»Machenschaften« Adalberts zugunsten des sächsischen Herzogs ausschließt; HEINEMEYER,
Adalbert I., S. 30f., der Adalbert als Wahlleiter den aktiven Part bei der Durchführung der Wahl
zuspricht; FAUSSNER, Die Thronerhebung, S. 20-23, der gar den gesamten Wahlvorgang, insbe-
sondere die dedio per compro?7u'ssM?w, als eine »Taktik« des Mainzer Erzbischofs betrachtet, der
bei der Durchsetzung seines Ziels, der Vereitelung eines staufischen Königtums, auch vor Be-
 
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