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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0132
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Conconüa eccLsiae gf reyni - Die wiedergefundene Eintracht (1125-1137)

Zeugungen fester an sich zu binden, zumal wenn man wie Lothar auf dessen Hilfe
im Kampf gegen die staufischen Brüder angewiesen war'V In dieses Erklärungs-
modell paßt vor allem die gleichzeitige Verleihung Nürnbergs und Gredings an den
Welfen, die sich gegen die staufischen Ansprüche auf Reichsgut richtete und zudem
den Wünschen des bayerischen Herzogs entgegenkommen mußte, denn beide Orte
lagen in seiner unmittelbaren Interessensphäre^. Die Verleihung des Herzogtums
Sachsen fügt sich allerdings nicht so ohne weiteres in das gleiche Schema ein, denn
hier ging es nicht um einen für den König zurückzugewinnenden Raum, sondern
um sein Stammland, in dem sein eigenes Hausgut und damit sein ganzer Rückhalt
lag. Es ist daher wahrscheinlich, daß Lothar sich den direkten Einfluß auf sein Her-
zogtum bewahren wollte. Die Tatsache, daß Heinrich zu Lebzeiten seines Schwie-
gervaters ganz offensichtlich die Herzogsgewalt in Sachsen noch nicht ausübte*°°,
legt daher einen anderen Schluß nahe: Könnte es nicht sein, daß es sich bei der > Ver-
leihung< des Herzogtums nur um eine Option auf die Zukunft handelte, daß Hein-
rich 1126 lediglich als Nachfolger in Sachsen designiert, bestenfalls als contfux - wo-
bei es einen hauptamtlichem dnx seit Lothars Wahl zum König ja nicht mehr gab -
investiert wurde*°V Bei Lothars Tod hätte dieses Vorgehen den Übergang der Her-
zogswürde auf den Welfen sichern können, da er nicht mehr auf die förmliche In-
vestitur angewiesen war, und so zugleich Heinrichs Ausgangssituation bei der
nächsten Wahl eines Königs durch die breite Hausmachtbasis gestärkt. Sachsen und
Bayern, in einer Hand vereinigt, bedeuteten einen Machtkomplex, der von keinem
anderen Reichsfürsten zu überbieten war"*.
Hegte Lothar, der sein Königtum in den Urkunden immer nur auf den göttli-
chen Willen und die freie Wahl der Fürsten zurückführte^ und entsprechend sein
Königtum von der Fürstenwahl und nicht vom Tag der Krönung an zählte^, also

198 Vgl. die Schilderung der Unternehmungen Heinrichs des Stolzen gegen Friedrich von Schwa-
ben in der Historia Welforum, c. 17f., S. 30/32.
199 So beteiligte sich Heinrich der Stolze 1127 an der Belagerung Nürnbergs; siehe den Bericht Ot-
tos von Freising, Gesta Frederici I, c. 17, S. 158.
200 Weder führte er das sächsische Aufgebot bei den Italienzügen des Herrschers an, noch ist eine
herzogliche Gerichtsbarkeit Heinrichs in Sachsen belegt, wo er sich - wie gesagt - ohnehin nur
einmal in familiären Angelegenheiten aufhielt.
201 Es wird in Zusammenhang mit den Ereignissen nach Lothars Tod noch einmal auf diesen
Gedanken zurückzukommen sein; vgl. unten S. 125f.
202 In diesem Zusammenhang ist vermutlich auch die Übertragung der Mathildischen Güter an
den Welfen zu sehen, die ihm in Italien ebenfalls eine solide Herrschaftsgrundlage boten; vgl.
PETKE, Kanzlei, S. 388. Zur Belehnung vgl. GROSS, Lothar III., S. 126, 135; RI 1V/1.1, Nr. 584.1,
S. 365f. und Nr. 634, S. 393-395.
203 Vgl. SCHMIDT, Königswahl, S. 76; LAUDAGE, Symbole der Politik, S. 97.
204 Vgl. KRUGGEL, Wann starb Kaiser Lothar III.?, S. 429: »Die Entscheidung des Herrschers, die aMH?
rggni nicht vom Tage der Krönung in Aachen, dem 13. September 1125, an zu zählen, könnte -
drei Jahre nach dem Wormser Konkordat - als besondere Betonung der Vorrangigkeit des Für-
stenvotums vor dem kirchlichen Zeremoniell gewertet werden.« Kruggel selbst hegt zwar Zwei-
fel daran, daß sich diese Auslegung angesichts der engen Verbindung Lothars zu den kirchlichen
Reformkreisen als tragfähig erweisen könnte, und beschränkt sich darauf, »diese demonstrative
Zählung der Königsjahre« als »beachtenswert« einzustufen. Im Hinblick auf die Entwicklung
des fürstlichen Selbstverständnisses allerdings, das auch die geistlichen Reichsfürsten teilten, er-
scheint diese Interpretation durchaus plausibel. Hinzu kommt die Tatsache, daß Lothar bereits
vor seiner Weihe einen allgemeinen Landfrieden verkündete und damit königliche Funktionen
 
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