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Die Beigabenausstattung
oder andere Grabausstattung vielleicht noch zuverlässiger rekonstruieren oder
auch verwerfen können, auch daß die Zuweisung mancher Funde umstritten ist. Ich
werde an gegebenen Stellen darauf hin weisen, doch kann und will diese Arbeit sol-
che Einzelstudien nicht ersetzen. Wenn dennoch ein Überblick über die zeitliche
und räumliche Entwicklung der Beigabensitte versucht wird, geschieht das im Be-
wußtsein, wie lückenhaft unser Wissen ist.
1. Krone und Kronhaube
Prunkvoller Kopfschmuck4 ist bereits aus der Völkerwanderungszeit bekannt. Er
gelangte in die Gräber höchst unterschiedlicher Kulturgruppen: So stammen gol-
dene Stirnreife mit Almandineinlagen aus reichen Frauengräbern des 5. Jahrhun-
derts zwischen Westungarn und Kasachstan; sie werden mit Reiternomaden, ins-
besondere mit der hunnischen Westexpansion assoziiert5. Auf der anderen Seite
kennen wir solche Stirnbänder/-reife, zumeist als Funeralanfertigungen aus ver-
goldeter Bronze, aus einigen Gräbern vornehmlich junger Frauen des 4. Jahrhun-
derts entlang Rhein und Donau bis nach Pannonien6. Schon aus der mittleren Kai-
serzeit, dann aus dem 4. Jahrhundert und vor allem dem frühen Mittelalter
stammen goldgewebte Stirnbänder (vittae) in reichen Frauengräbern, die vor allem
aus den Gebieten mit intensiver Beigabensitte überliefert sind . In Birka und ganz
Skandinavien datieren ähnliche Bänder hingegen erst in die Wikingerzeit8.
Für die Funde aus reiternomadischem Kontext ist auf eine jahrhundertelange
eigene Tradition von Stirnschmuck in diesen Kulturen hinzuweisen9. Andererseits
könnten im Donauraum und Westeuropa Einflüsse von Frauendiademen am
spätantik-byzantinischen Hof wirksam gewesen sein, die gemäß dem Rang ihrer
Männer streng hierarchisch abgestuft waren10. Eine entsprechend rigorose Hand-
habung ist für die reiternomadischen und westeuropäischen Grabfunde jedoch
nicht auszumachen, so daß hier an Zierrat, und nicht an eine frühe Kronbeigabe zu
denken ist* 11. Für die germanischen Herrscher häufen sich vor allem im 6. Jahrhun-
dert Hinweise, sie hätten Kronreife getragen, doch sind alle Belege eng vom byzan-
tinischen Vorbild abhängig12. In den Grabfunden und Realien finden sich keine Hin-
4 Ich folge der Definition Schramms (1954/56,128), daß von einer Krone erst gesprochen werden
kann, wenn sie als Signifikant im Hinblick auf ihren Träger wirkt, indem sie diesen als Obersten
oder wenigstens Hochstehenden bezeichnet; gleiches gilt für das Wort Diadem.
5 Schramm 1954/56,129-134; Werner 1956, 61-68; Gussone u. Steuer 1984, 364-366; Damm 1988,
89-92; Bona 1991, 147-149.
6 Zusammenstellung bei Martin 1976/91,1, 23-28.
7 Crowfoot u. Chadwick Hawkes 1967, bes. 58-64; Martin 1976/91, 1, 26; Schulze 1976, 158;
Päffgen 1992,1, 426-429.
8 Gussone u. Steuer 1984, 375. - Birka: Geijer 1938,146; Hägg 1984/89, 65-67.
9 Gussone u. Steuer 1984, 364. Werner (1956, 68) favorisiert Anregungen aus Persien und vor
allem aus Indien.
10 Deér 1954/56, 421f., 446M48; Martin 1976/91,1, 28; Gussone u. Steuer 1984, 372-374.
11 Schramm 1954/56,132; Gussone u. Steuer 1984, 366, 374. Dagegen Päffgen 1992,1, 428.
12 Schramm 1954/56,137f.; Gussone u. Steuer 1984,366-368; Wolf 1995,13. Das gilt sowohl für die
nach byzantinischem Vorbild geprägten Münzen der Vandalen, Franken und Westgoten wie für
den regnus, den Clovis 508 als Ehrenkonsul empfing.
Die Beigabenausstattung
oder andere Grabausstattung vielleicht noch zuverlässiger rekonstruieren oder
auch verwerfen können, auch daß die Zuweisung mancher Funde umstritten ist. Ich
werde an gegebenen Stellen darauf hin weisen, doch kann und will diese Arbeit sol-
che Einzelstudien nicht ersetzen. Wenn dennoch ein Überblick über die zeitliche
und räumliche Entwicklung der Beigabensitte versucht wird, geschieht das im Be-
wußtsein, wie lückenhaft unser Wissen ist.
1. Krone und Kronhaube
Prunkvoller Kopfschmuck4 ist bereits aus der Völkerwanderungszeit bekannt. Er
gelangte in die Gräber höchst unterschiedlicher Kulturgruppen: So stammen gol-
dene Stirnreife mit Almandineinlagen aus reichen Frauengräbern des 5. Jahrhun-
derts zwischen Westungarn und Kasachstan; sie werden mit Reiternomaden, ins-
besondere mit der hunnischen Westexpansion assoziiert5. Auf der anderen Seite
kennen wir solche Stirnbänder/-reife, zumeist als Funeralanfertigungen aus ver-
goldeter Bronze, aus einigen Gräbern vornehmlich junger Frauen des 4. Jahrhun-
derts entlang Rhein und Donau bis nach Pannonien6. Schon aus der mittleren Kai-
serzeit, dann aus dem 4. Jahrhundert und vor allem dem frühen Mittelalter
stammen goldgewebte Stirnbänder (vittae) in reichen Frauengräbern, die vor allem
aus den Gebieten mit intensiver Beigabensitte überliefert sind . In Birka und ganz
Skandinavien datieren ähnliche Bänder hingegen erst in die Wikingerzeit8.
Für die Funde aus reiternomadischem Kontext ist auf eine jahrhundertelange
eigene Tradition von Stirnschmuck in diesen Kulturen hinzuweisen9. Andererseits
könnten im Donauraum und Westeuropa Einflüsse von Frauendiademen am
spätantik-byzantinischen Hof wirksam gewesen sein, die gemäß dem Rang ihrer
Männer streng hierarchisch abgestuft waren10. Eine entsprechend rigorose Hand-
habung ist für die reiternomadischen und westeuropäischen Grabfunde jedoch
nicht auszumachen, so daß hier an Zierrat, und nicht an eine frühe Kronbeigabe zu
denken ist* 11. Für die germanischen Herrscher häufen sich vor allem im 6. Jahrhun-
dert Hinweise, sie hätten Kronreife getragen, doch sind alle Belege eng vom byzan-
tinischen Vorbild abhängig12. In den Grabfunden und Realien finden sich keine Hin-
4 Ich folge der Definition Schramms (1954/56,128), daß von einer Krone erst gesprochen werden
kann, wenn sie als Signifikant im Hinblick auf ihren Träger wirkt, indem sie diesen als Obersten
oder wenigstens Hochstehenden bezeichnet; gleiches gilt für das Wort Diadem.
5 Schramm 1954/56,129-134; Werner 1956, 61-68; Gussone u. Steuer 1984, 364-366; Damm 1988,
89-92; Bona 1991, 147-149.
6 Zusammenstellung bei Martin 1976/91,1, 23-28.
7 Crowfoot u. Chadwick Hawkes 1967, bes. 58-64; Martin 1976/91, 1, 26; Schulze 1976, 158;
Päffgen 1992,1, 426-429.
8 Gussone u. Steuer 1984, 375. - Birka: Geijer 1938,146; Hägg 1984/89, 65-67.
9 Gussone u. Steuer 1984, 364. Werner (1956, 68) favorisiert Anregungen aus Persien und vor
allem aus Indien.
10 Deér 1954/56, 421f., 446M48; Martin 1976/91,1, 28; Gussone u. Steuer 1984, 372-374.
11 Schramm 1954/56,132; Gussone u. Steuer 1984, 366, 374. Dagegen Päffgen 1992,1, 428.
12 Schramm 1954/56,137f.; Gussone u. Steuer 1984,366-368; Wolf 1995,13. Das gilt sowohl für die
nach byzantinischem Vorbild geprägten Münzen der Vandalen, Franken und Westgoten wie für
den regnus, den Clovis 508 als Ehrenkonsul empfing.