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Kennzeichnung des Grabes
2. Die obertägig sichtbare Kennzeichnung des Grabes
Epitaphien, Platten und Wappen
In der obertägigen Markierung der Gräber wird das Ende der antiken Kultur be-
sonders augenfällig: »Inschriften und Porträts verschwinden; die Gräber werden
anonym«, schreibt Philippe Ariès über die große Masse der frühmittelalterlichen
Gräber etwa seit dem 5. bis ins 10. Jahrhundert12' . Doch erfolgte diese Auflösung der
antiken Schriftlichkeit an den Grabstätten keineswegs einheitlich: Selbst in Berei-
chen massiven germanischen Zuzugs wie im Rheintal konnten sich einzelne roma-
nische Inseln zuweilen bis ins 8. Jahrhundert halten und eine begrenzte Schriftlich-
keit der Gräber bewahren, so etwa um Trier, Andernach und Basel/Kaiseraugst128.
Weiter im Westen und Süden blieb der romanische Anteil der Bevölkerung derart
dominant, daß nicht nur im Rhönegebiet12" eine begüterte Oberschicht die antike
Tradition der Grabinschrift bis weit ins frühe Mittelalter pflegte, sondern sich auch
die Epitaphien Venantius' Fortunatus im späten 6. Jahrhundert noch ganz aus die-
ser Wurzel speisen konnten130.
In noch stärkerem Maße ist dieses Fortleben der antiken Tradition direkt am
Mittelmeer zu beobachten. Allerdings galten auch hier Epitaphien fast ausnahms-
los den Gräbern »großer Persönlichkeiten«, während die breite Masse, ganz wie
weiter im Norden, über Jahrhunderte in der Anonymität versank. Am Rand ist in
diesem Zusammenhang auch auf Heiligengräber hinzuweisen, wo die Inschriften
- wegen des kultisch notwendigen direkten Kontakts mit den Gebeinen - am Grab
selber angebracht waren oder zumindest auf den konkreten Grabplatz verwiesen1 '1.
Erstmals entstanden sie auf der iberischen und italischen Halbinsel im 5./6. Jahr-
hundert132 und breiteten sich wohl noch im frühen Mittelalter bis in den Norden
127 Ariès 1980,261-263 (Zitat S. 261). Vgl. Ariès 1984,37M2; Herklotz 1985,23-28,36f.; Colvin 1991,
137; Panofsky 1993, 53; Koch 1993, 283.
128 Boppert 1971; Nisters-Weisbecker 1983, bes. 232-240; Engemann u. Rüger 1991, 7-169; Ament
1997. - Trier: Böhner 1958, 1, 241-254; vgl. ein Epitaph für Ebf. Liutwin (f 713): Favreau 1990,
318. - Andernach (Lkr. Mayen-Koblenz): Boppert 1988; Vogel 2000. - Basel/Kaiseraugst
(Kt. Basel Stadt/Aargau): Martin 1976/91,1,197-201; Marti 1998; Marti 2000,31-33. - Vgl. auch
Epitaphien für Aldualuhus/Aldualah (8. Jh.) in Worms (Fuchs 1991, 5f., Nr. 4, Abb. 1),
Bf. Valentian v. Chur (4549) in Gons b. Mols (Kt. St. Gallen) (Bernasconi Reusser 1997, 33-37,
Nr. 6, fig. 10), und eine Inschrift aus dem 8. Jh. aus Chur (Kt. Graubünden) (Bernasconi Reusser
1997, 39-42, Nr. 8, fig. 12-14).
129 Heidrich 1968; Heinzeimann 1976. Vgl. Inschriften aus Morbio Superiore (Kt. Tessin) von519(?)
(Bernasconi Reusser 1997, 30-32, Nr. 5, fig. 9), für Chlodomér u. Clotaire (t 577) sowie
Austrechilde (+580), Söhne und Frau Gontrans, in Chalon-sur-Saône (Dép. Saône-et-Loire)
(Krüger 1971, 145), Bischofsepitaphien aus St-Maurice (Kt. Wallis) zwischen 516 u. 526
(Jörg 1977, 41-50, Nr. 4-7), für Bf. Agricola (+580) in Chalon-sur-Saône (Dép. Saône-et-Loire)
(Krüger 1971,144f.). Weiterhin die Grabschrift eines Abts aus Ligugé b. Poitiers (Dép. Vienne)
(Kat. Poitiers 1989/90, 37, Nr. 21 (Fritsch)).
130 Z. B. Epitaphien für Chlodobert (+580), einen Sohn Chilpérics Ier, in Soissons St-Crépin (Dép.
Aisne) oder für Theudechilde (+598) in Sens St-Pierre-le-Vif (Dép. Yonne): AASS zum 28. Juni,
Juni 5, 369, c. 33; Krüger 1971, 136, 234f.; die vollständige Sammlung vermittelt Ven. Fort.,
Opera.
131 Ariès 1980, 269-273.
132 Herrmann-Mascard 1975,114f.
Kennzeichnung des Grabes
2. Die obertägig sichtbare Kennzeichnung des Grabes
Epitaphien, Platten und Wappen
In der obertägigen Markierung der Gräber wird das Ende der antiken Kultur be-
sonders augenfällig: »Inschriften und Porträts verschwinden; die Gräber werden
anonym«, schreibt Philippe Ariès über die große Masse der frühmittelalterlichen
Gräber etwa seit dem 5. bis ins 10. Jahrhundert12' . Doch erfolgte diese Auflösung der
antiken Schriftlichkeit an den Grabstätten keineswegs einheitlich: Selbst in Berei-
chen massiven germanischen Zuzugs wie im Rheintal konnten sich einzelne roma-
nische Inseln zuweilen bis ins 8. Jahrhundert halten und eine begrenzte Schriftlich-
keit der Gräber bewahren, so etwa um Trier, Andernach und Basel/Kaiseraugst128.
Weiter im Westen und Süden blieb der romanische Anteil der Bevölkerung derart
dominant, daß nicht nur im Rhönegebiet12" eine begüterte Oberschicht die antike
Tradition der Grabinschrift bis weit ins frühe Mittelalter pflegte, sondern sich auch
die Epitaphien Venantius' Fortunatus im späten 6. Jahrhundert noch ganz aus die-
ser Wurzel speisen konnten130.
In noch stärkerem Maße ist dieses Fortleben der antiken Tradition direkt am
Mittelmeer zu beobachten. Allerdings galten auch hier Epitaphien fast ausnahms-
los den Gräbern »großer Persönlichkeiten«, während die breite Masse, ganz wie
weiter im Norden, über Jahrhunderte in der Anonymität versank. Am Rand ist in
diesem Zusammenhang auch auf Heiligengräber hinzuweisen, wo die Inschriften
- wegen des kultisch notwendigen direkten Kontakts mit den Gebeinen - am Grab
selber angebracht waren oder zumindest auf den konkreten Grabplatz verwiesen1 '1.
Erstmals entstanden sie auf der iberischen und italischen Halbinsel im 5./6. Jahr-
hundert132 und breiteten sich wohl noch im frühen Mittelalter bis in den Norden
127 Ariès 1980,261-263 (Zitat S. 261). Vgl. Ariès 1984,37M2; Herklotz 1985,23-28,36f.; Colvin 1991,
137; Panofsky 1993, 53; Koch 1993, 283.
128 Boppert 1971; Nisters-Weisbecker 1983, bes. 232-240; Engemann u. Rüger 1991, 7-169; Ament
1997. - Trier: Böhner 1958, 1, 241-254; vgl. ein Epitaph für Ebf. Liutwin (f 713): Favreau 1990,
318. - Andernach (Lkr. Mayen-Koblenz): Boppert 1988; Vogel 2000. - Basel/Kaiseraugst
(Kt. Basel Stadt/Aargau): Martin 1976/91,1,197-201; Marti 1998; Marti 2000,31-33. - Vgl. auch
Epitaphien für Aldualuhus/Aldualah (8. Jh.) in Worms (Fuchs 1991, 5f., Nr. 4, Abb. 1),
Bf. Valentian v. Chur (4549) in Gons b. Mols (Kt. St. Gallen) (Bernasconi Reusser 1997, 33-37,
Nr. 6, fig. 10), und eine Inschrift aus dem 8. Jh. aus Chur (Kt. Graubünden) (Bernasconi Reusser
1997, 39-42, Nr. 8, fig. 12-14).
129 Heidrich 1968; Heinzeimann 1976. Vgl. Inschriften aus Morbio Superiore (Kt. Tessin) von519(?)
(Bernasconi Reusser 1997, 30-32, Nr. 5, fig. 9), für Chlodomér u. Clotaire (t 577) sowie
Austrechilde (+580), Söhne und Frau Gontrans, in Chalon-sur-Saône (Dép. Saône-et-Loire)
(Krüger 1971, 145), Bischofsepitaphien aus St-Maurice (Kt. Wallis) zwischen 516 u. 526
(Jörg 1977, 41-50, Nr. 4-7), für Bf. Agricola (+580) in Chalon-sur-Saône (Dép. Saône-et-Loire)
(Krüger 1971,144f.). Weiterhin die Grabschrift eines Abts aus Ligugé b. Poitiers (Dép. Vienne)
(Kat. Poitiers 1989/90, 37, Nr. 21 (Fritsch)).
130 Z. B. Epitaphien für Chlodobert (+580), einen Sohn Chilpérics Ier, in Soissons St-Crépin (Dép.
Aisne) oder für Theudechilde (+598) in Sens St-Pierre-le-Vif (Dép. Yonne): AASS zum 28. Juni,
Juni 5, 369, c. 33; Krüger 1971, 136, 234f.; die vollständige Sammlung vermittelt Ven. Fort.,
Opera.
131 Ariès 1980, 269-273.
132 Herrmann-Mascard 1975,114f.