Externe Motive: imitatio
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kommenen liturgischen Riten behaftet blieb217, sondern insbesondere die Heil-
fähigkeit der französischen und englischen Könige von den Skrofeln - Volksglaube
par excellence - erst seit dem frühen 13. Jahrhundert verstärkt auftritt218. Im Grabkult
wird Bestreben um solche Heiligung per viam cultus für Rudolf von Rheinfelden im
Merseburger Dom (gisant; Abb. 151) wie Heinrich IV. im Speyerer Dom (Tumba;
Abb. 113) besonders deutlich, für die Palermitaner Baldachine (Abb. 107) wäre glei-
ches zu untersuchen, wenngleich in allen Fällen weder kirchlich-formale noch
volksgläubige Heiligung über eine längere Zeit erreicht wurde.
Gleich ob der päpstliche oder der volksgläubige Weg zur Heiligung angestrebt
wurde, waren es nur die frühesten Imitatoren einer Heiligenikonographie, für die
angestrebte Kanonisation zur Debatte stand. Waren solche Signifikanten erst einmal
aus dem gewohnten sakralen Umfeld gelöst und auf (noch) Nicht-Heilige übertra-
gen, fanden sie sehr schnell auch in anderen Bestattungen Verwendung, für die Hei-
ligkeit kein Thema war219: Nach allem, was wir wissen, sind mit den Eleanor-crosses
die mont]oies Louis7 IX bereits vollständig profaniert und weisen nur noch auf die
Zuneigung Edwards I zu seiner verstorbenen Gemahlin. Ebenso sind für Grab-
authentiken, die zuerst verstorbenen Geistlichen im Hinblick auf ihre in Kürze zu
erwartende Kanonisation ins Grab gegeben worden waren, schon bei Konrad II. und
seiner Frau Gisela keine heiligenden Ambitionen mehr auszumachen, was dem Be-
fund entspricht, daß die Grabanlage Konrads IL, die geradezu versehentlich in den
Geruch eines Heiligengrabes gekommen war, sehr schnell durch einen Umbau pro-
faniert wurde220. Grab und chantry Henrys V in Westminster kommentierte schließ-
lich sein Sohn: Nay, let him alone, he lieth like a noble prince22': Selbst dieser aufwen-
dige Grabbau mit all seinen Allusionen auf Altar ciborium und Reliquienosfen-
sorium wirkte also in den Augen der Zeitgenossen nicht heiligend auf den Be-
statteten, sondern adäquat adelig. Mit diesem Zitat aus dem Mund Henrys VI
wird deutlich, wie rapide die verschiedensten Signifikanten der Heiligenikono-
graphie auf der sozialen Leiter zum Zeichen von Königen und Adeligen herab-
sinken konnten.
3. Die Struktur königlicher Selbstdarstellung:
Die Abwesenheit des Realen
Ein Element des spätmittelalterlichen Totenzeremoniells der englischen und fran-
zösischen Könige hat das besondere Interesse der (Kunst)Historiker gefunden: Die
effigy, das vollplastische Abbild des Toten (Abb. 172,173). Zunächst grob aus Holz
geschnitzt wurde sie im Laufe der Zeit unter Zuhilfenahme einer Totenmaske und
anderer technischer Finessen immer weiter dem realen Aussehen des Verstorbenen
217 Koziol 1991,125f.; vgl. Hiltbrunner 1968, 25.
218 Bloch 1924,29-49; Schramm 1960,151-155; Le Goff 1989,22; Boureau 1989,31; Koziol 1991,128f.
219 Zahlreiche Beispiele der Christus-Imitation in Miniatur, Malerei und Skulptur von den Ottonen
bis in die frühe Neuzeit bietet Chapeaurouge (1987/88); er meint, daß es sich von Anbeginn nur
um die diesseitige Manifestation irdischer Leistungen und Hierarchie gehandelt habe.
220 Meier 1998, 38M4.
221 Wall 1891, 313.
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kommenen liturgischen Riten behaftet blieb217, sondern insbesondere die Heil-
fähigkeit der französischen und englischen Könige von den Skrofeln - Volksglaube
par excellence - erst seit dem frühen 13. Jahrhundert verstärkt auftritt218. Im Grabkult
wird Bestreben um solche Heiligung per viam cultus für Rudolf von Rheinfelden im
Merseburger Dom (gisant; Abb. 151) wie Heinrich IV. im Speyerer Dom (Tumba;
Abb. 113) besonders deutlich, für die Palermitaner Baldachine (Abb. 107) wäre glei-
ches zu untersuchen, wenngleich in allen Fällen weder kirchlich-formale noch
volksgläubige Heiligung über eine längere Zeit erreicht wurde.
Gleich ob der päpstliche oder der volksgläubige Weg zur Heiligung angestrebt
wurde, waren es nur die frühesten Imitatoren einer Heiligenikonographie, für die
angestrebte Kanonisation zur Debatte stand. Waren solche Signifikanten erst einmal
aus dem gewohnten sakralen Umfeld gelöst und auf (noch) Nicht-Heilige übertra-
gen, fanden sie sehr schnell auch in anderen Bestattungen Verwendung, für die Hei-
ligkeit kein Thema war219: Nach allem, was wir wissen, sind mit den Eleanor-crosses
die mont]oies Louis7 IX bereits vollständig profaniert und weisen nur noch auf die
Zuneigung Edwards I zu seiner verstorbenen Gemahlin. Ebenso sind für Grab-
authentiken, die zuerst verstorbenen Geistlichen im Hinblick auf ihre in Kürze zu
erwartende Kanonisation ins Grab gegeben worden waren, schon bei Konrad II. und
seiner Frau Gisela keine heiligenden Ambitionen mehr auszumachen, was dem Be-
fund entspricht, daß die Grabanlage Konrads IL, die geradezu versehentlich in den
Geruch eines Heiligengrabes gekommen war, sehr schnell durch einen Umbau pro-
faniert wurde220. Grab und chantry Henrys V in Westminster kommentierte schließ-
lich sein Sohn: Nay, let him alone, he lieth like a noble prince22': Selbst dieser aufwen-
dige Grabbau mit all seinen Allusionen auf Altar ciborium und Reliquienosfen-
sorium wirkte also in den Augen der Zeitgenossen nicht heiligend auf den Be-
statteten, sondern adäquat adelig. Mit diesem Zitat aus dem Mund Henrys VI
wird deutlich, wie rapide die verschiedensten Signifikanten der Heiligenikono-
graphie auf der sozialen Leiter zum Zeichen von Königen und Adeligen herab-
sinken konnten.
3. Die Struktur königlicher Selbstdarstellung:
Die Abwesenheit des Realen
Ein Element des spätmittelalterlichen Totenzeremoniells der englischen und fran-
zösischen Könige hat das besondere Interesse der (Kunst)Historiker gefunden: Die
effigy, das vollplastische Abbild des Toten (Abb. 172,173). Zunächst grob aus Holz
geschnitzt wurde sie im Laufe der Zeit unter Zuhilfenahme einer Totenmaske und
anderer technischer Finessen immer weiter dem realen Aussehen des Verstorbenen
217 Koziol 1991,125f.; vgl. Hiltbrunner 1968, 25.
218 Bloch 1924,29-49; Schramm 1960,151-155; Le Goff 1989,22; Boureau 1989,31; Koziol 1991,128f.
219 Zahlreiche Beispiele der Christus-Imitation in Miniatur, Malerei und Skulptur von den Ottonen
bis in die frühe Neuzeit bietet Chapeaurouge (1987/88); er meint, daß es sich von Anbeginn nur
um die diesseitige Manifestation irdischer Leistungen und Hierarchie gehandelt habe.
220 Meier 1998, 38M4.
221 Wall 1891, 313.