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Meier, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes im christlichen Europa — Mittelalter-Forschungen, Band 8: Stuttgart, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34722#0345

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Externe Motive: traditio

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gesamten Mittelalter scheint die Übernahme seiner auch nur vermeintlichen Bestat-
tungssitten möglich. Wenngleich mehrere Elemente tatsächlich in Beigaben umge-
setzt wurden, ist eine derart umfangreiche und in Gold gefertigte Ausstattung aller-
dings in keinem Grab nachgewiesen. Doch selbst wenn direkte imitatio ausblieb, sind
die Texte Adémars und aus Novalese allemal geeignet, die Möglichkeit späterer
Graböffnung wie die Notwendigkeit adäquater Ausstattung im Denken der Zeitge-
nossen zu verankern.

2. Externe Motive
Die bisherige Analyse war weitgehend auf Motive gerichtet, die unmittelbar mit
dem Königtum Zusammenhängen: Es sind konkrete, im klassischen Sinn faktische
Mitteilungen über den Toten, vor allem über Amt und Taten. Sie fragen nach dem
im weiteren Sinn politschen Gehalt der Gräber. Im vorangegangenen Kapitel habe
ich sie als zentrale Mitteilungen von Grabmälern, Inschriften und Beigaben heraus-
gestellt. Überdies lassen sie sich sämtlich mit der Aufbahrung auf einen gemeinsa-
men Ursprung im königlichen Bestattungsordo zurückführen.
Daneben existiert ein zweiter Motivbereich, der nicht aus dem Zeichenfundus
des Königsamtes geschöpft, sondern aus fremdem Repertoire, also extern angeeignet
und für die Beschreibung des Königsamtes instrumentalisiert ist. Daher fehlt diesen
externen Motiven der unmittelbare Zeichenbezug zum Königsamt; auch findet sich
für sie kein sekundärer Verweis auf die Aufbahrung oder eine andere Zeremonie im
königlichen ordo. Überhaupt mangelt es diesen Motiven an einem gemeinsamen Be-
zugspunkt, so daß der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit entsteht: Während die
immanenten Motive durch ihren inhaltlichen Bezug einzeln und in ihrer Gesamtheit
stets auf das Amt des Königs zurückgebunden sind und damit als Diskurs über die-
ses gelesen werden können, offenbaren die externen Motive eine Art Exkurs zur je-
weiligen Situation, in der sie erstmals angewandt wurden, um dann oft als scheinbar
königliche, in Wirklichkeit aber thematisch fremde Floskeln fortzuleben.
Das Anliegen dieser Arbeit sind jedoch die Grundzüge des politischen Diskur-
ses, wie er sich in den Königsgräbern spiegelt; im Vordergrund stehen die Entwick-
lungen der longue durée, nicht die Einzelfälle. So erklärt sich das Schwergewicht der
Analyse auf den immanenten Motiven, während die externen Motive ihrem eige-
nen Charakter entsprechend nun in drei Beispielen - zentralen, wie ich meine - eher
als Marginalien gestreift werden sollen. Unterzöge man die externen Motive einer
gleichermaßen ausführlichen Analyse wie die immanenten, ergäben sich auch hier
entsprechende chronologisch und regional folgerichtige Ordnungen von Adap-
tion/Erfindung, regelhafter Verwendung und allmählichem Verschwinden. Für ei-
nige Motive habe ich solche Entwicklungsreihen anhand der Grabmäler (z.B. gisant,
Baldachin) Umrissen, andere externe Motive wie montjoies oder die Cosmatenarbeit
blieben hingegen ohne größere Nachfolge.

Traditio
Der Begriff der traditio spielt im mittelalterlichen Denken eine herausragende Rolle.
Im Zusammenhang des Grabkults äußert sich der Gedanke der traditio besonders
 
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