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Studer Immenhauser, Barbara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Verwaltung zwischen Innovation und Tradition: die Stadt Bern und ihr Untertanengebiet 1250 - 1550 — Mittelalter-Forschungen, Band 19: Ostfildern, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.34733#0029
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II. Die Verwaltung der Stadt
1. Stadtgründung und Verfassungsentwicklung im Überblick

Oie Stadt Bern wurde im Jahr 1191 von Herzog Berchtold V. von Zähringen im Kö-
nigreich Burgund auf einer bis zu diesem Zeitpunkt unbesiedelten Aarehaibinsel
gegründet^. Die neuste Forschung geht davon aus, dass der Fundator mit ihr einen
Etappenort zwischen dem westlichen Vorposten Freiburg i.U. und Burgdorf, seiner
wichtigsten Residenz südlich des Rheins, schaffen wollte^. Die Anlage einer ausge-
dehnten (und für die neu gegründete Stadt überdimensionierten) Gewerbesiedlung
mit geschickt angelegten Kanälen zur Nutzung der Wasserkraft lässt zudem vermu-
ten, dass die neue Gründung gleichzeitig militärischer Stützpunkt für die zähringi-
schen Truppen sein sollte^.
Da das Areal, auf der die Stadt 1191 gegründet worden war, Königsgut war, fiel
Bern nach dem Aussterben der Herzoge nicht an einen der zähringischen Erben,
sondern kam ans Reich. Wir besitzen mit der so genannten »Goldenen Handfeste«
vom 15. April 1218 zwar ein Dokument, das diesen Übergang an den König
bestätigt, doch ist sich die moderne historische Forschung heute einig, dass es sich
dabei um eine Fälschung aus der Zeit um 1270 handeln muss'A Obwohl formal bis
heute nicht nachgewiesen^, lässt eine detaillierte Inhaltsanalyse keinen anderen
Schluss ztüü So ist denn davon auszugehen, dass die Stadt Bern die Handfeste
während des Interregnums selber anfertigen liess, indem sie die 1218 erhaltenen
Zusagen Friedrichs II. mit zusätzlichen, aus Freiburg i.B. übernommenen Rechtssät-
zen ergänztet Diese Anpassung der staufischen Handfeste war aus Sicht der jun-

61 Zur Stadtgründung, zur Frage nach dem Zusammenhang mit der keltisch resp. römischen Sied-
lung auf der Engehalbinsel sowie zur baulichen und verfassungsmässigen Entwicklung Berns
im Mittelalter existiert eine breite Literatur, die hier nur in einer Auswahl aufgeführt werden
soll: GEISER, Verfassung, 1-4; FELLER, Geschichte, Bd. 1, S. 21-25; GERBER, Gott, S. 42f.; BARTLO-
ME/ZAHND, Gründung und Sage, S. 21-24; BAERiswYL, Stadt, S. 162 und 176f.
62 BAERiswYL, Stadt, S. 162.
63 Ebd., S. 176. Er vermutet gar, dass die natürliche Schwelle der Aare, die die Anlage von Kanälen
zur Nutzung der Wasserkraft ebenso wie eines Hafens erleichterten, massgeblich dazu beige-
tragen hat, dass sich der Herzog bei der Gründung für den heutigen Standort und gegen die
Engehalbinsel mit der Vorgängersiedlung entschieden hat.
64 Seit beinahe 150 Jahren setzt sich die mittelalterliche Geschichtsforschung mit der Frage nach
der Echtheit der Berner Handfeste auseinander. Einen Überblick über die älteren Abhandlun-
gen geben STRAHM, Handfeste und HEINEMEYER, Handfeste. Neuerdings auch ScHWiNGES,
Erfolgreich gefälscht, S. 230-232 und STUDER, Die Goldene Handfeste, S. 14.
65 Auch auf neuen, mit modernster Technik hergestellten Röntgenbildern des Siegels konnten kei-
ne Fremdeinwirkungen oder Schäden, die auf eine Fälschung schliessen liessen, festgestellt
werden. Vgl. SPALiNGER, Goldbulle, S. 233.
66 BLATTMANN, Freiburger Stadtrechte, S. 237-247, 366-368.
67 Ebd., S. 245ff. Diese Übernahme ohnehin gültiger Rechtszustände dürfte gemäss Marita Blatt-
mann zur Folge gehabt haben, dass die Zeitgenossen in der Fälschung gar kein Unrecht sahen,
sondern nur ein Anpassen der alten Handfeste an die neuen Zustände. Vgl. auch HEINEMEYER,
Handfeste, S. 318-320 und ZAHND, Berns Beziehungen, S. 108f.
 
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