III. Die Verwaltung der Landschaft
1. Territorialisierung
1.1 Der Territorialisierungsprozess
1.1.1 Allgemeine Voraussetzungen und Kennzeichen
der territorialen Herrschaftsbildung
Die Entstehung territorialer Gebilde war im Spätmittelalter in Mitteleuropa ein
Grundzug der politischen Entwicklung^. Vor allem im polyzentrischen Gebilde
des Alten Reiches, das im Gegensatz zu Frankreich oder England keine Hauptstadt
kannte, wurden die Territorien zu wichtigen Kristallisationszentren, die zugleich ei-
nen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung der modernen Staatlichkeit leisteten. In-
dem die Verwaltung verschriftlicht, die vorhandenen Rechte gebündelt und geord-
net wurden und öffentlich-rechtliche Institutionen entstanden, wurden wichtige
Schritte auf dem Weg vom personenrechtlich bestimmten aristokratischen Verband-
staat hin zur staatlichen Organisationsform des Territoriums vollzogen. Obwohl der
Territorialisierungsprozess in erster Linie bei den zahlreichen grösseren und kleine-
ren Fürsten und Herren zu beobachten ist, die sich in Form von Landesherrschaften
territoriale Gebilde schufen, begannen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auch viele
Städte, sich ausserhalb ihrer Stadtmauern ein Territorium aufzubauen. Der Prozess
der territorialen Herrschaftsbildung verlief bei ihnen weitgehend parallel zu demje-
nigen adeliger Herren. So versuchten auch Städte, die verschiedenen Faktoren, die
eine Landesherrschaft ausmachten, in ihren Händen zu vereinigen, zu ordnen und
gegenüber Konkurrenten zu verteidigen. Nur das lockere Gefüge des Alten Reichs
gewährte allerdings den Städten genügend innere Autonomie und aussenpolitische
Handlungsfreiheit, um eine erfolgreiche Landgebietspolitik betreiben zu können^.
Erst die Schwäche des Königtums seit dem Interregnum schuf die Gegebenheiten,
die auch Städten eine Ausdehnung ihres Einflussbereiches über ihren Stadtbannbe-
zirk hinaus ermöglichte.
Gemäss dem Rechtshistoriker Dietmar Willoweit setzte sich die Landesherr-
schaft aus drei dinglichen und personalen Komponenten zusammen^. Die wich-
tigste bildete dabei - sowohl für Städte als auch für Adelige - die GrunhlzerrsciM/f.
Sie bestand im Spätmittelalter nicht mehr in erster Linie aus Herrschaft über Perso-
nen, sondern beinhaltete in dieser Phase bereits das Recht an Grund und Boden,
dem die Herrschaftsrechte über die darauf sitzenden Personen (Grundholden) nur
noch zugeordnet waren. Diese unterstanden zwar dem Besitzer der Grundherr-
schaft in einem eindeutigen Subordinationsverhältnis, hatten aber als Gegenleis-
995 Vgl. dazu: MoRAW, Von offener Verfassung, S. 183-188; WiLLOWEiT, Entwicklung, S. 66-81;
QuARTHAL, Residenz, S. 61.
996 RAisER, Territorialpolitik, S. 9.
997 WiLLOWEiT, Entwicklung, S. 68-71.
1. Territorialisierung
1.1 Der Territorialisierungsprozess
1.1.1 Allgemeine Voraussetzungen und Kennzeichen
der territorialen Herrschaftsbildung
Die Entstehung territorialer Gebilde war im Spätmittelalter in Mitteleuropa ein
Grundzug der politischen Entwicklung^. Vor allem im polyzentrischen Gebilde
des Alten Reiches, das im Gegensatz zu Frankreich oder England keine Hauptstadt
kannte, wurden die Territorien zu wichtigen Kristallisationszentren, die zugleich ei-
nen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung der modernen Staatlichkeit leisteten. In-
dem die Verwaltung verschriftlicht, die vorhandenen Rechte gebündelt und geord-
net wurden und öffentlich-rechtliche Institutionen entstanden, wurden wichtige
Schritte auf dem Weg vom personenrechtlich bestimmten aristokratischen Verband-
staat hin zur staatlichen Organisationsform des Territoriums vollzogen. Obwohl der
Territorialisierungsprozess in erster Linie bei den zahlreichen grösseren und kleine-
ren Fürsten und Herren zu beobachten ist, die sich in Form von Landesherrschaften
territoriale Gebilde schufen, begannen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auch viele
Städte, sich ausserhalb ihrer Stadtmauern ein Territorium aufzubauen. Der Prozess
der territorialen Herrschaftsbildung verlief bei ihnen weitgehend parallel zu demje-
nigen adeliger Herren. So versuchten auch Städte, die verschiedenen Faktoren, die
eine Landesherrschaft ausmachten, in ihren Händen zu vereinigen, zu ordnen und
gegenüber Konkurrenten zu verteidigen. Nur das lockere Gefüge des Alten Reichs
gewährte allerdings den Städten genügend innere Autonomie und aussenpolitische
Handlungsfreiheit, um eine erfolgreiche Landgebietspolitik betreiben zu können^.
Erst die Schwäche des Königtums seit dem Interregnum schuf die Gegebenheiten,
die auch Städten eine Ausdehnung ihres Einflussbereiches über ihren Stadtbannbe-
zirk hinaus ermöglichte.
Gemäss dem Rechtshistoriker Dietmar Willoweit setzte sich die Landesherr-
schaft aus drei dinglichen und personalen Komponenten zusammen^. Die wich-
tigste bildete dabei - sowohl für Städte als auch für Adelige - die GrunhlzerrsciM/f.
Sie bestand im Spätmittelalter nicht mehr in erster Linie aus Herrschaft über Perso-
nen, sondern beinhaltete in dieser Phase bereits das Recht an Grund und Boden,
dem die Herrschaftsrechte über die darauf sitzenden Personen (Grundholden) nur
noch zugeordnet waren. Diese unterstanden zwar dem Besitzer der Grundherr-
schaft in einem eindeutigen Subordinationsverhältnis, hatten aber als Gegenleis-
995 Vgl. dazu: MoRAW, Von offener Verfassung, S. 183-188; WiLLOWEiT, Entwicklung, S. 66-81;
QuARTHAL, Residenz, S. 61.
996 RAisER, Territorialpolitik, S. 9.
997 WiLLOWEiT, Entwicklung, S. 68-71.