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Studer Immenhauser, Barbara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Verwaltung zwischen Innovation und Tradition: die Stadt Bern und ihr Untertanengebiet 1250 - 1550 — Mittelalter-Forschungen, Band 19: Ostfildern, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.34733#0459
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IV. Ergebnisse
Am Anfang dieser Studie stand die Frage, wie es ausgerechnet der mittelgrossen
Stadt Bern im Spätmittelalter hatte gelingen können, ein Territorium in ihren Besitz
zu bringen, das grösser war als alle übrigen städtischen Untertanengebiete im Alten
Reich. Es hat sich gezeigt, dass die Faktoren, die dazu geführt haben, sehr mannig-
faltig waren. So war es grundsätzlich unabdingbar für einen erfolgreichen Erwerb
von Landgebieten, dass die politische Konstellation im städtischen Umfeld günstig
war. In Bern war dies einerseits dadurch gegeben, dass die Stadt an der Grenze drei-
er sich konkurrierender Adelsdynastien lag und deshalb verhindern konnte, dass
sie während des Interregnums in die Abhängigkeit einer der zähringischen Erben
fiel. Andererseits war die Stadt aber auch königsfern, so dass sie bereits im 13. Jahr-
hundert weitgehend unabhängig vom Reichsvogt agieren konnte. Dies hatte zur
Folge, dass Bern fast ein Jahrhundert früher mit dem Territorialerwerb beginnen
konnte als ihre Konkurrentinnen und damit einen entscheidenden Vorsprung
gegenüber diesen aufwies. Da die Stadt an der Westgrenze der alten Eidgenossen-
schaft gelegen war, konnte sie zudem auch in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch
ungehindert expandieren, ohne dabei in Konflikt mit ihren Bundesgenossen zu
geraten. Die Phase des Territorialerwerbs währte damit in Bern gut 250 Jahre,
während sie in Basel nur knapp halb so lang war und in Zürich gar nur 75 Jahre dau-
erte.
Weil eine günstige Gelegenheit jedoch allenfalls eine Grundlage für eine positi-
ve Entwicklung schaffen kann, allein aber noch keineswegs eine Garantie für einen
Erfolg darstellt, greift eine Erklärung, die einzig auf die guten Voraussetzungen, die
die Stadt Bern aufwies, abstützt, mit Sicherheit zu kurz. Mindestens ebenso wichtig
war die Beeinflussung der jeweiligen Situation durch den Menschen. Ohne Ratsher-
ren, die genug Weitblick hatten, um zu begreifen, welche Chancen ein eigenes
Untertanengebiet einer Stadt bringen konnte und bereit waren, im entscheidenden
Moment notfalls auch hohe Risiken einzugehen, hätte sich die kleine Stadt Bern nie
ein so imposantes Untertanengebiet aneignen können. Es galt daher, herauszufin-
den, was denn die Berner Ratsherren von denjenigen anderer Städte unterschied,
dass ihnen gelingen konnte, was andere vergeblich versuchten. Es hat sich im Ver-
lauf der Untersuchung gezeigt, dass es eine entscheidende Rolle gespielt hat, dass
sich hier - im Gegensatz zu Zürich oder anderen deutschen Städten - die Handwer-
ker nie haben durchsetzen und eine Zunftherrschaft etablieren können, sondern der
Kleine Rat während des gesamten Spätmittelalters von Adels- und Notabeinge-
schlechtern dominiert blieb. Da Handwerker und Kleinhändler mehr an einem
befriedeten und sicheren Umland interessiert waren, das den Rohstoff- und Lebens-
mittelbedarf decken konnte, als an einem möglichst umfangreichen Untertanenge-
biet, ist davon auszugehen, dass sie den Landerwerbsprozess weniger intensiv vor-
wärts getrieben und wie andere Reichsstädte schon bald einmal auf einen weiteren
Territorialerwerb verzichtet hätten, wenn sie am Ende des 13. Jahrhunderts an die
Macht gekommen wären. Für die in Bern regierenden Adeligen und Notabein stan-
den dagegen vor allem Steuer- und Mannschaftsrechte im Vordergrund, so dass sie
wie Fürsten versuchten, ihr Untertanengebiet ständig weiter auszudehnen. Um die-
ses Ziel zu erreichen, wendeten sie die verschiedensten Mittel an: Sie kauften wo
 
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