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Studer Immenhauser, Barbara; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Verwaltung zwischen Innovation und Tradition: die Stadt Bern und ihr Untertanengebiet 1250 - 1550 — Mittelalter-Forschungen, Band 19: Ostfildern, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.34733#0422
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398

III. Verwaltung der Landschaft

Körper wurde den Vögeln und der Luft überlassen, sein Besitz fiel an die Herr-
schaft.
Diese Herrschafts- und Verwaltungsverhältnisse in der Herrschaft Oberdiessbach
scheinen sich im Gegensatz zu vielen anderen Vogteien in der Reformationszeit
nicht verändert zu haben. Es ist weder bekannt, dass sich Widerstand gegen die
neue Lehre gebildet hätte, noch dass die Herrschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts
deutlich intensiviert worden wäre. Es scheint, dass die Verhältnisse in der relativ
kleinen und dadurch überschaubaren Twingherrschaft sowohl für die Landleute
wie auch für den Twingherrn weiterhin akzeptabel waren und daher bis zum Ende
des Ancien Regime quasi unverändert bestehen blieben.

2.2 Die Verwaltung des bernischen Territoriums im Überblick
Die vorangegangenen Detailstudien haben gezeigt, dass die Stadt Bern beim Auf-
bau der Verwaltung neuer Herrschaften während der gesamten untersuchten Peri-
ode äusserst pragmatisch vorging. War eine neue Besitzung nur sehr klein und lag
in der Nähe einer bereits bestehenden Verwaltungseinheit, so wurde sie dieser
angeschlossen und ging in der Folge in ihr auf. Da dies nur sehr selten vorkam, wur-
de in den meisten Fällen jedoch die bestehende Form beibehalten und aus der alten
Herrschaft eine neue bernische Vogtei errichtet.
Waren die rechtlichen Zuständigkeiten geklärt, wurde als erstes an die Stelle
des adeligen oder geistlichen Herrn ein Stadtberner Vogt gesetzt. Dieser setzte in
der Regel nicht nur die Herrschaftstradition seines Vorgängers fort, sondern über-
nahm gleich auch dessen bisherige Stammburg (respektive das Kloster) als Resi-
denz, wodurch die Herrschaftskontinuität problemlos gewahrt werden konnte. Da
Bern nie versuchte, sein eigenes, städtisches Recht in den neuen Herrschaften
durchzusetzen, sondern ihnen in den bündnisähnlichen »Untertanenverträgen«,
die bei der Übernahme jeweils abgeschlossen wurden-^, vielmehr versprach, sie
bei ihren alten Rechten und Freiheiten zu belassen, blieb für die neuen Untertanen
meistens fast alles beim Alten. Obwohl die Stadt Bern spätestens seit der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts eine politische Macht besass, die nicht mehr auf diese -
verglichen mit anderen Städten ausserordentlich weitgehende - Kooperation mit
neuen Untertanen angewiesen gewesen wäre, setzte die Obrigkeit sie auch in der
Folge weiterhin fort. So wurden auch in den erst im 16. Jahrhundert annektierten
Gebieten sowohl die bestehenden Organisationsstrukturen als auch das vorhande-
ne »Verwaltungspersonal« jeweils weitgehend übernommen.
Diese Vorgehensweise hatte allerdings zur Folge, dass die bernische Vogteiver-
waltung auch in der Mitte des 16. Jahrhunderts, am Ende des hier gewählten Unter-
suchungszeitraumes, noch weitgehend derjenigen einer spätmittelalterlich-adeli-
gen Herrschaftsverwaltung entsprach. Abgesehen von den Landstädten waren die
Vogteien durchweg geprägt von einer sehr einfach aufgebauten Lokalverwal-

2145 Vgl. dazu oben Teil III, Kap. 1.3.
 
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