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Peltzer, Jörg [Bearb.]; Schwedler, Gerald [Bearb.]; Töbelmann, Paul [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Politische Versammlungen und ihre Rituale: Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 27: Ostfildern, 2009

DOI Artikel:
Peltzer, Jörg,: Das Reich ordnen: Wer sitzt wo auf den Hoftagen des 13. und 14. Jahrhunderts?
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34740#0110

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Das Reich ordnen

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tig es ihm war, die Kurfürsten in die Inszenierung des Reichs einzubinden, sie
sichtbar in Bezug und Unterordnung zum König ihre Rolle im Reich darstellen
zu lassen,69 zeigen nicht nur die Regelungen zum Sitzen und Gehen selbst, son-
dern auch noch ein kleines, in der Mannigfaltigkeit der Goldenen Bulle leicht
zu übersehendes Detail: Karl untersagte im letzten Absatz des Kapitels XII die
invitatae generales der Fürsten. Er tat dies mit der Begründung, dass diese Festi-
vitäten den Gang der Geschäfte unziemlich aufhielten.70 Karl Zeumer sah hie-
rin das Bemühen, die Kurfürsten von dieser kostspieligen Pflicht zu entlasten,
denn diese hatten die Festmähler während eines feierlichen Hoftages reihum
auszurichten.71 Eine andere Interpretation dieses Verbots erscheint möglich,
wenn nicht gar plausibler. Die Bühne, die diese Einladungen Ihren Veranstal-
tern gab, sollte geschlossen werden. Karl IV. wollte ein zweites, offizielles po-
litisches Forum auf den Hoftagen, das nicht auf die zentrale Figur des Königs
ausgerichtet war, nicht zulassen. Feierlich sitzen und essen sollte man schon
dürfen, aber nur auf seine Einladung hin; Alternativen zu seiner Vorrangstel-
lung gerade gegenüber den Kurfürsten sollten erst gar nicht aufkommen oder
gar Raum zur Entfaltung erhalten.
Das Reich präsentiert sich in der Goldenen Bulle als Inszenierung des Kö-
nigs und der Kurfürsten. Die übrigen Reichsfürsten spielten dabei nur eine
sehr nachgeordnete Rolle. Mit am prominentesten erscheinen sie noch in Kapi-
tel VI, und auch dies nur, weil dort ihre eindeutige Nachrangigkeit hinter den
Kurfürsten festgeschrieben wird. Die Fürsten fehlten bei der Inszenierung des
Reiches, sie waren allenfalls als Beiwerk gedacht.72 Den Städten kam noch nicht
einmal diese Funktion zu. Sie spielten in der Aufführung des Reichs überhaupt
keine Rolle, sie hatten, wie gesehen, kein »Gestühl«.
Vergleicht man zum Abschluss dieser Untersuchung die 1355/56 aus gehan-
delte Ordnung des Reiches mit den auf dem Mainzer Hoftag von 1184 abgebil-
deten Verhältnissen, so drängt sich das Bild der Verengung auf: 1184 erscheint
das Reich als Symbiose von König und Reichsfürsten, 1355/56 hingegen als
Zusammenspiel von König und Kurfürsten. Das Beispiel des Abts von Fulda
exemplifiziert diese Entwicklung anschaulich. Zwar unterlag er 1184 im Be-
mühen, seinen Ehrenrang gegenüber dem Kölner Erzbischof durchzusetzen,
aber er war immerhin in der Fage, ihn öffentlich einzufordern; er war noch
wettbewerbsfähig im Ringen um die vordersten Plätze unter den Reichsfür-
sten. 1355/56 herrschte eine andere Situation. Die Abte von Fulda hatten ihre
69 Siehe dazu auch Schubert, Erz- und Erbämter (wie Anm. 31), S. 218-223.
70 GB, c. 12.
71 Zeumer, Goldene Bulle (wie Anm. 6), Bd. 1, S. 67 f.; vgl. dazu auch Salomon, Ein Rechnungs-
und Reisetagebuch (wie Anm. 51), bes. S. 424.
72 Dies entsprach der Praxis, Peter Moraw, Fürstentum, Königtum und »Reichsreform« im
deutschen Spätmittelalter, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122, 1986, S. 117-136; in
dieselbe Richtung weist sein Befund bezüglich der Darstellung der Fürsten in der Geschichts-
schreibung des 14. Jahrhunderts, Peter Moraw, Politische Sprache und Verfassungsdenken
bei ausgewählten Geschichtsschreibern des deutschen 14. Jahrhunderts, in: Geschichtsschrei-
bung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (Vorträge und
Forschungen 31), Sigmaringen 1987, S. 695-726, hier S. 713 f. (mit der Ausnahme Johanns von
Viktring).
 
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