Überlegungen zur Optik des Reichstags
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Kommunikation aber auch dann nicht, wenn ausschließlich Gesandte mitei-
nander verhandelten. So wie auch städtische Gesandte im Spätmittelalter ganz
selbstverständlich ein Wappen an ihrer Herberge anschlagen ließen und auf
angemessene Kleidung achteten, wofür Kölner und Nürnberger Rechnungs-
legungen von Reisen zu Reichstagen eine höchst sprechende Quellengattung
sind.73
Vor dieser Umformung der zeremoniell-zeichenhaften in technisch-ab-
strakte Verfahrensweisen warf indes um 1500 die Situation des sich ausbilden-
den Reichstags erhebliche Sonderprobleme auf. Während auf einem vertikal
organisierten Hoftag des Mittelalters der Herrscher das Geschehen verfah-
renstechnisch dominierte, war dies dem König/Kaiser auf den horizontal or-
ganisierten Reichstagen des Spätmittelalters schon nicht mehr möglich.74 Der
angesprochene Versuch Maximilians I., ähnlich wie für die Kurfürsten in der
Goldenen Bulle eine Zeremonialordnung für die an den Belehnungen teilneh-
menden Fürsten zu finden, steht wohl nicht zufällig recht isoliert dar, genauso
wie eine >Goldene Bulle< Karls V. nie über den Planungsstatus hinauskam.75
Dass beide Projekte scheiterten, lag strukturell daran, dass einseitige Verfah-
rensregelungen durch den Herrscher zwar für einen Hoftag als Gefolgschafts-
treffen erlassen werden konnten, aber für einen Reichstag der Zeit um 1500
nicht mehr passgenau waren.
Diese Tatsache zeigt sich recht gut an der optischen Kommunikation. In
einem vom Herrscher ausgehenden Zeremoniell ziemten sich auf Hoftagen
weder Widerworte noch sichtbarer Widerstand.76 Opponenten blieben daher
einem Hoftag fern und zeigten nicht bei Hofe einen politischen Dissens
durch opponierende Zeichen an. Das war bekanntlich auf den Reichstagen
73 Siehe zu den Kölner Materialien jetzt Stadtkölnische Reiserechnungen des Mittelalters, hg.
von Klaus Militzer (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 75), Düs-
seldorf 2007. Das Nürnberger Material müsste ebenso publiziert werden. Siehe z. B. für 1495:
Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Stadtrechnungsbelege I Nr. 585
fol. 281-286 = Kaiser, Reich, Reformen. Der Reichstag zu Worms. Katalog der Ausstellung des
Landeshauptarchivs Koblenz, hg. von Claudia Helm/Jost Hausmann, Koblenz 1995, S. 327,
Nr. H 13.
74 Siehe dazu die Überlegungen von Heinig, Reichstag (wie Anm. 65), und Annas, Hoftag (wie
Anm. 12), bes. S. 16.
75 Die für Wahl- und Krönungstage formulierten Regelungen der Goldenen Bulle über die Ord-
nung der Kurfürsten beim Sitzen und Gehen wurde dabei subsidiär auch auf andere Ver-
sammlungen angewandt. Siehe dazu Aulinger, Bild (wie Anm. 6), S. 101 und 193-200 sowie
Gabriele Annas/Heribert Müller, Kaiser, Kurfürsten und Auswärtige Mächte. Zur Bedeu-
tung der Goldenen Bulle im Rahmen von Rangstreitigkeiten auf Reichsversammlungen und
Konzilien des 15. Jahrhunderts, in: Die Kaisermacher. Aufsätze, hg. von Brockhoff/Matheus
(wie Anm. 71), S. 106-128.
76 Vgl. Paul-Joachim Heinig, Verhaltensformen und zeremonielle Aspekte des deutschen
Herrscherhofes am Ausgang des Mittelalters, in: Zeremoniell und Raum, hg. von Werner
Paravicini (Residenzenforschung 6), Sigmaringen 1997, S. 63-82.
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Kommunikation aber auch dann nicht, wenn ausschließlich Gesandte mitei-
nander verhandelten. So wie auch städtische Gesandte im Spätmittelalter ganz
selbstverständlich ein Wappen an ihrer Herberge anschlagen ließen und auf
angemessene Kleidung achteten, wofür Kölner und Nürnberger Rechnungs-
legungen von Reisen zu Reichstagen eine höchst sprechende Quellengattung
sind.73
Vor dieser Umformung der zeremoniell-zeichenhaften in technisch-ab-
strakte Verfahrensweisen warf indes um 1500 die Situation des sich ausbilden-
den Reichstags erhebliche Sonderprobleme auf. Während auf einem vertikal
organisierten Hoftag des Mittelalters der Herrscher das Geschehen verfah-
renstechnisch dominierte, war dies dem König/Kaiser auf den horizontal or-
ganisierten Reichstagen des Spätmittelalters schon nicht mehr möglich.74 Der
angesprochene Versuch Maximilians I., ähnlich wie für die Kurfürsten in der
Goldenen Bulle eine Zeremonialordnung für die an den Belehnungen teilneh-
menden Fürsten zu finden, steht wohl nicht zufällig recht isoliert dar, genauso
wie eine >Goldene Bulle< Karls V. nie über den Planungsstatus hinauskam.75
Dass beide Projekte scheiterten, lag strukturell daran, dass einseitige Verfah-
rensregelungen durch den Herrscher zwar für einen Hoftag als Gefolgschafts-
treffen erlassen werden konnten, aber für einen Reichstag der Zeit um 1500
nicht mehr passgenau waren.
Diese Tatsache zeigt sich recht gut an der optischen Kommunikation. In
einem vom Herrscher ausgehenden Zeremoniell ziemten sich auf Hoftagen
weder Widerworte noch sichtbarer Widerstand.76 Opponenten blieben daher
einem Hoftag fern und zeigten nicht bei Hofe einen politischen Dissens
durch opponierende Zeichen an. Das war bekanntlich auf den Reichstagen
73 Siehe zu den Kölner Materialien jetzt Stadtkölnische Reiserechnungen des Mittelalters, hg.
von Klaus Militzer (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 75), Düs-
seldorf 2007. Das Nürnberger Material müsste ebenso publiziert werden. Siehe z. B. für 1495:
Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Stadtrechnungsbelege I Nr. 585
fol. 281-286 = Kaiser, Reich, Reformen. Der Reichstag zu Worms. Katalog der Ausstellung des
Landeshauptarchivs Koblenz, hg. von Claudia Helm/Jost Hausmann, Koblenz 1995, S. 327,
Nr. H 13.
74 Siehe dazu die Überlegungen von Heinig, Reichstag (wie Anm. 65), und Annas, Hoftag (wie
Anm. 12), bes. S. 16.
75 Die für Wahl- und Krönungstage formulierten Regelungen der Goldenen Bulle über die Ord-
nung der Kurfürsten beim Sitzen und Gehen wurde dabei subsidiär auch auf andere Ver-
sammlungen angewandt. Siehe dazu Aulinger, Bild (wie Anm. 6), S. 101 und 193-200 sowie
Gabriele Annas/Heribert Müller, Kaiser, Kurfürsten und Auswärtige Mächte. Zur Bedeu-
tung der Goldenen Bulle im Rahmen von Rangstreitigkeiten auf Reichsversammlungen und
Konzilien des 15. Jahrhunderts, in: Die Kaisermacher. Aufsätze, hg. von Brockhoff/Matheus
(wie Anm. 71), S. 106-128.
76 Vgl. Paul-Joachim Heinig, Verhaltensformen und zeremonielle Aspekte des deutschen
Herrscherhofes am Ausgang des Mittelalters, in: Zeremoniell und Raum, hg. von Werner
Paravicini (Residenzenforschung 6), Sigmaringen 1997, S. 63-82.