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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0039

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Entwicklung. Die Rolle der Herolde im mittelalterlichen Turnier

zur Schau stellten, untersagte. An Geltungskraft sollte es dadurch gewinnen,
dass getöteten Kämpfern ein kirchliches Begräbnis verwehrt würde.80 Weitere
kirchliche und weltliche Verbote des Turniers folgten, bis im Jahr 1316 Papst
Johannes XXII. in Avignon das seit 1130 gültige kirchliche Turnierverbot auf-
hob.81
Trotz der Gefahr der Exkommunizierung und der Verweigerung eines
kirchlichen Begräbnisses im Fall des Todes beim Turnier zeichnete sich der
Adel - bei weltlichen Verboten hing der Grad der Nichtbeachtung von dem
obrigkeitlichen Sanktionspotential ab - durch häufige Missachtung der kirch-
lichen Verbote aus, was die Begeisterung und die von Anfang an starke per-
sönliche Motivierung veranschaulicht, mit der sich die Adligen an den
Kampfspielen beteiligten. Der Grund dieser Leidenschaft wird im Turnierver-
bot des Jahres 1130, wie erwähnt, mit dem Willen zur Demonstration von
Kraft und Tollkühnheit beschrieben. Die eingangs zitierten Verse Ulrichs von
Liechtenstein aus der Mitte des 13. Jahrhunderts sprechen vielmehr von dem
Verlangen nach Ruhm, der Anerkennung bei den Frauen und materiellem
Gewinn. Die Ruhmsucht der Ritter erklärte sich aus dem Umstand, dass sich
für junge Ritter bei den Turnieren die Gelegenheit ergab, sich vor den anderen
Kämpfern auszuzeichnen und auf diese Weise Ruhm und Anerkennung in der
adligen Gesellschaft zu erlangen. Gewinn lockte die Kämpfer in Form der
Ausrüstung oder des Pferdes des Besiegten, auch war es möglich für gefan-
gengenommene Kämpfer Lösegeld zu fordern. All dies war vor allem für die
„Jugend", wie es Georges Duby eindrücklich dargesteht hat, äußerst wichtig,
um sich ihren Platz innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft zu erstreiten.82
Dies allein kann aber den Bedeutungsgewinn der einstigen militärischen
Übung nicht erklären.

Detestabiles autem illias nundinas, vel ferias, in quibus milites ex conditio convenire solent, et ad
ostentationem virium suarum et audaciae temerarie congrediuntur, unde mortes hominum ut anima-
rum pericula saepe proveniunt, omnio fieri interdicimus. Quod si quis eorum ibidem mortuus fuerit,
quamvis ei poscenti paenitentia et viaticum non negetur, ecclesiastica tamen careat sepultura. Karl
Joseph Hefele, Henri Leclercq: Histoire des Conciles d'après les documents originaux.
Bd. 5,1, Paris 1912, S. 729, Nr. 14. Zu der unbedarften Bezeichnung der Turniere als Märkte
(nundinae vel feriae), siehe Barber / Barker, Geschichte, S. 26.
Weitere kirchliche Turnierverbote erfolgten: Laterankonzil (1139), Konzil von Reims (1148),
drittes Laterankonzil (1179), Konzil von Lyon (1245); der Periode der Turnierverbote wäh-
rend des 12. Jahrhunderts in England folgte ein zukunftsweisendes Dekret König Richards L,
der im Jahr 1194 zur Lizensierung der Turniere in England überging. Turnierverbote in
Frankreich waren von politischen Gründen geprägt wie im Jahr 1260 durch Ludwig IX. im
Zuge seiner Kreuzzugsvorbereitungen; 1296, 1304, 1305, 1311, 1312, 1314, 1316 wurden wei-
tere Verbote von Philipp IV. und Philipp V. unter ähnlichen Vorzeichen erlassen; vgl. Sabine
KRÜGER: Das kirchliche Turnierverbot im Mittelalter, in: Turnier, hg. von FLECKENSTEIN,
S. 401-424 und Barber / Barker, Geschichte, S. 26 und 37.
Georges Duby: Guillaume le Maréchal ou le meilleur chevalier du monde, Paris 1996 (Les
inconnus de l'histoire), S. 123-133; Ders.: Dans la France du Nord-Ouest au XIIe siècle. Les
„jeunes" dans la socitété aristocratique, in: Annales 19 (1964), S. 835-846.
 
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