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Bock, Nils
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0049

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Entwicklung. Die Rolle der Herolde im mittelalterlichen Turnier

werden und sowohl den formalen (Einladung, Bekanntmachungen, Registra-
tur, Beisitz beim Turniergericht) als auch stilistischen Bereich (Zeremoniell)
berühren, machen auf das Potential der möglichen Einsatzbereiche der Herol-
de bei der Durchsetzung innovativer Formen innerhalb des Turniers aufmerk-
sam, worauf im Folgenden zurückzukommen sein wird. Dabei gilt es aller-
dings zu beachten, dass das Handbuch Renés von Anjou zwar auf den Erfah-
rungen des Herzogs basiert, es sich aber um eine idealtypische Darstellung
handelt. Der Traktakt ist als ein Gesamtkatalog zu verstehen, der alle potenti-
ellen Formen und Abläufe eines Turniers verzeichnet.

1.4 Unterschiede der Entwicklung des Turniers in Westeuropa
und dem römisch-deutschen Reich
Es wurde deutlich, dass das Turnier im Spätmittelalter ein Kampfspiel mit
bestimmten Merkmalen wie der förmlichen Einladung ist und einen festen
Rahmen bezeichnet, wodurch es sich von älteren Arten der Waffenübung un-
terscheidet. Diese Transformation kann in England wie auch im Reich seit der
ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts anhand der Ausrichtung auf die neue Form
des nordfranzösischen torneamentum verfolgt werden. Im 13. Jahrhundert war
die Turnierkultur in Westeuropa und dem Reich gleichermaßen stark ausge-
prägt und ihre Entwicklung folgt den oben genannten Tendenzen der Literari-
sierung und ,Verspielung'. Dennoch sind regionale Unterschiede vorhanden,
auf die in der zunächst stärker chronologisch ausgerichteten Darstellung nicht
näher eingegangen wurde. Gerade die Betrachtung der Differenzen soll auf
regionalspezifische Strukturen untersucht werden. Dabei wird im Folgenden
eine Konzentration auf Flandern und das Königreich Frankreich als Entste-
hungsgebiet des Turniers sowie England und das Reich als Rezeptionsgebiete
erfolgen. In dieser Reihenfolge sollen die Gebiete hier auch vorgesteht werden.
1.4.1 Von Flandern bis Lothringen
Im Gebiet von Flandern bis Lothringen entwickelte sich das Turnier recht
schnell nach den Mustern in Nordfrankreich, die rasche Verbreitung und Um-
setzung fanden.114 Allerdings war das Turnier nicht allein eine Sache der rit-
terlichen und adligen Schicht, sondern ebenso der Bürger. Es entwickelte sich
eine starke städtische ritterliche Tradition in den Städten, die sich in Form von

ausstellen kann. Dieser Raum wird Austragungsort einer abendlichen Veranstaltung mit
Tanz, in deren Rahmen die genannten Wappen geprüft werden und die Teilnehmer anhand
von Teilnahmebedingungen gegebenenfalls vom Turnier ausgeschlossen werden. Höhe-
punkt der Veranstaltung in der Darstellung Renés von Anjou bildet ein Gruppenkampf mit
Schwertern zwischen verschiedenen Turniermannschaften unter der Leitung ranghöher Ad-
liger. Zum Abschluss der Veranstaltung werden am Abend die Turnierpreise überreicht, was
von den Damen in Anwesenheit der Turnierrichter unter Einbeziehung der Herolde durch-
geführt wird.
114 Zur Turnierkultur in diesem Bereich einführend Barber / Barker, Geschichte, S. 64.
 
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