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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0048

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Von militärischer Übung zum Kampfspiel

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tung geprägt, die sich in einer erheblich stärkeren Formalisierung des Ablaufs,
von der Versendung der Einladungen zu der Auswahl der Teilnehmer und
den Wettkampfregeln, manifestierte.
Eine solche mehrstufige Organisation ist verdichtet in dem Handbuch des
Mittelalters zu Form und Durchführung eines großen Turniers dargestellt: Le
Trakte de la forme et devis d'ung tournoy des René I. von Anjou. Dieses um 1460
abgefasste Werk entstand auf der Grundlage einer ganzen Serie von Pas
d'armes (1445-1449), von denen die Kämpfe von Nancy im fahr 1445 anlässlich
der Vermählung seiner Tochter Margarethe von Anjou mit König Heinrich VI.
von England den Auftakt bildeten.111 Zugleich gibt René von Anjou an, dass er
daneben auch deutsche, flämische und ältere französische Traditionen berück-
sichtigt habe, um jenes Modell zusammenzustellen, das zukünftig in Frank-
reich gelten solle. Der Form nach ist es mit seinem ausgeprägten formalisierten
und stilisierten Charakter und seiner Hervorhebung von Rang und Status
eindeutig ein Produkt des 15. Jahrhunderts. Auch das Gebot des Herzogs, dass
nur Fürsten oder hochgestellte Barone oder Bannerherren Turniere ausrichten
sollten, ist Indiz für eine weitere Tendenz des Turniers des ausgehenden Mit-
telalters, nämlich hin zu einer Veranstaltung einer gesellschaftlichen Elite.112
Die Organisation des Turniers lässt sich in der Darstellung des Turniertrak-
tates Renés I. in folgende Gliederungspunkte zusammenfassen: Übergabe der
Herausforderung durch einen Herold, Annahme der Aufforderung, Bestim-
mung der Turnierrichter, Bekanntmachung des Turniers durch Herolde, Ein-
zug in die Stadt, Kennzeichnung der Herbergen, Wappenprüfung im Beisein
der Herolde, der Kampf und die Preisverleihung durch die Damen unter Ein-
beziehung der Herolde.113 Die Aufgaben, die den Herolden zugeschrieben

111 Barber / Barker, Geschichte, S. 152-154 und Nadot, Joutes, S. 412-414 und 416-419.
112 Siehe oben Anm. 51.
113 Die mehrstufige Organisation eines großen Turniers beginnt, laut René I., mit der Überrei-
chung der Turnierforderung an den Gegner in Form eines stumpfen Turnierschwerts durch
seinen Wappenkönig oder einen ranghohen Herold. Ergreift der Herausgeforderte das
Schwert, nimmt er die Forderung an und muss erklären, dass er alleine zur Freude des Her-
ausforderers und der Damen und nicht aus bösem Willen dem Wunsch entsprochen habe.
Daraufhin überreicht der Herold ihm eine liste mit acht vom Herausforderer notierten Tur-
nierrichtern, von denen er vier auswählen muss. Sobald die Richter ausgewählt sind und ih-
rer Berufung zugestimmt haben, tritt wieder der genannte Herold in Erscheinung und ver-
kündet vor der Hofversammlung des Herausforderers, des Geforderten als auch des Königs
das Turnier. Andere Herolde werden ausgeschickt, um das gleiche auch an den Höfen rang-
niedrigerer Adliger durchzuführen. Inhalt der Ausrufung des Turniers bilden zunächst all-
gemeine Angaben zu den Regularien, Zeitpunkt und Ort der Veranstaltung. Dem folgt die
Bekanntgabe der Waffen und der Turnierausrüstung. Ebenfalls wird die Anlage des Tur-
nierplatzes genau angeführt. Vier Tage vor dem eigentlichen Ereignis sind alle Teilnehmer
gehalten, sich am Turnierort einzufinden und am Einzug der Fürsten und anderer Herren
teilzunehmen, in dem sie ihre Banner präsentieren und in feierlicher Prozession in die Stadt
einziehen. Den Anfang des Zuges bilden dabei Herolde des Ausrichters und der anderen
Herren, die sich direkt hinter dem zuerst reitenden Trompeter befinden sollen. Die Herber-
gen und Quartiere der Teilnehmer innerhalb der Stadt müssen durch die Wappen der jewei-
ligen Kämpfer gekennzeichnet werden, die sichtbar in die Fenster oder an der Außenmauer
angebracht werden müssen. Die Turnierrichter sollen Quartier in einem geistlichen Haus mit
Innenhof beziehen, wo man die Wappen der Turnierkämpfer am Vorabend des Turniers
 
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