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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0050

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Von militärischer Übung zum Kampfspiel

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Tafelrundenturnieren oder Turnieren im Rahmen städtischer Feste stark an
literarischen Werken orientierten. Das berühmteste und seit 1278 jährlich statt-
findende Fest dieser urbanen Tradition war der Roys de l'Espinette (Der Dor-
nenkönig) in Lille, an dem auch Bürger anderer Städte teilnahmen. Dies zeigt
die feste Verankerung der ritterlich-höfischen Kultur in den Städten Flanderns
und ihre Instrumentalisierung zur Darstellung finanzieller Stärke und bürger-
lichen Selbst Verständnisses. Strukturell änderte sich dies durch den verstärk-
ten Zugriff der burgundischen Herzoge ab dem Ende des 14. Jahrhunderts
und vor allem im 15. Jahrhundert.115
Die Adligen dieser Region zeichneten sich als progressive Turnierveran-
stalter und Kämpfer aus. Einen ersten Entwicklungsschub erhielt die Region
durch die zahlreichen von Heinrich I. von Champagne und Philipp I. von
Flandern in den 1170er und 1180er Jahren organisierten Turniere.116 Fast hun-
dert Jahre später folgten ihm mit dem zukünftigen Eduard I. von England
andere Fürsten, um an Turnieren in flandrisch-brabantisch-hennegauischen
Gebiet teilzunehmen. So wurde eines der frühesten belegten und die Entwick-
lung prägenden Tafelrundenturniere im Jahr 1235 in Hesdin ausgerichtet.
Teilgenommen haben zahlreiche Barone aus Flandern und Ritter aus entfern-
teren Gegenden, zu denen auch der Herzog von Burgund sowie die Grafen
von Chalons, Nevers und Bretagne zählten, die unter dem Eindruck der abge-
haltenen Predigten das Gelöbnis zum Kreuzzug ablegten.117
Wegen der besonderen Lage zwischen Frankreich und dem römisch-
deutschen Reich sowie ihrer politisch nicht eindeutigen Situation stellte die
Region inklusive der sich im Süden anschließenden Gebiete von Bar, Luxem-
burg und Lothringen zum einen einen Begegnungsraum der benachbarten
Ritter dar, in dem zahlreiche der genannten „Grenzlandturniere" stattfanden.
Zum anderen war das Gebiet Schauplatz von Veranstaltungen mit besonde-
rem Symbolcharakter, wie das zu Ehren Philipps IV. von Frankreich ausge-
richtete Fest von Brügge im Jahr 1300. Stellte es doch den Versuch der franzö-

115 So aufgezeigt von Evelyne van den Neste: Tournois, joutes, pas d'armes dans les villes de
Flandre à la fin du Moyen Âge (1300-1486), Paris 1996 (Mémoires et documents de l'école
des Chartes, 47). Dem Fest des Roi de TEpinette war ein eigener Herold zugeordnet, was die
Übernahme eines weiteren Elements der ritterlich-höfischen Kultur durch die Bürger zum
Ausdruck bringt. Dieser ist aber nicht der einzige städtische Herold, sondern nur einer unter
mehreren; siehe Henri SIMONNE AU, Franck VlLTART: City Heralds in the Burgundian Low
Countries, in: Herald, hg. von STEVENSON, S. 93-110.
116 Die Biographie des englischen und von Georges Duby exemplarisch analysierten Turnier-
helden, Guillaume le Maréchal, legt hiervon beredtes Zeugnis ab; siehe Anm. 82.
117 So Alberich von Troisfontaines: Flandrie barones apud Hesdinium, ubi se exercebant ad tabidam
rotundam, cruce signantur. Item cruce signati sunt dux Hugo Burgundie, Iohannes Cabilonensis,
comes Guido Forensis et Nivernensis, comes Almaricus Montisfortis, comes Britannic et quidam alii.
Chronica Albrid Monarchi Trium Fontium, hg. von Paul SCHEFFER-BOICHORST, Hannover
1874 (MGH SS 23), S. 631-950, hier S. 937. Für die folgenden Jahrzehnte liefern die Dits et
Contes des Balduin (Baudoin) von Condé einen guten Einblick in die Verbreitung und Orga-
nisation von Turnieren im vorgestellten Raum: Dits et contes de Baudoin de Condé et de son
fils Jean, d'après les manuscrits de Bruxelles, Turin, Rome, Paris et Vienne et accompagné de
variantes et notes explicatives. Bd. 1, hg. von Auguste Scheler, Brüssel 1866. Siehe auch
Barber / Barker, Geschichte, S. 62.
 
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