Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von militärischer Übung zum Kampfspiel

41

henden ritterlichen Dienstes für eine Dame und den Einfluss der höfischen
Minne auf das Turnier. Dabei ist zu beachten, dass höfische Liebe und Turnier
beide hochstilisierte Formen mit artifiziell ausgestalteten Regeln darstellen
und starke Gemeinsamkeiten aufweisen. Sie konnten am Hof bewusst als Dar-
stellungsformen höhscher Haltungs- und Verhaltensnormen genutzt werden,
um als ständisch motivierte hohe Leitbilder den Adligen die wirkmächtigen
gesellschaftlichen Erwartungen vor Augen zu halten und auf ihre soziale
Wirklichkeit einzuwirken.91
Hierzu gehörte auch die genannte Tugend der Freigiebigkeit. Sie betraf die
Anwesenheit von fahrenden Leuten aus unteren sozialen Schichten und nie-
deradligen Dichtern.92 Der Beschenkungsakt gründete eine Beziehung zwi-
schen Schenker und Beschenktem. Da der Wert der Geschenke über ein bloßes
Entgelt für die Unterhaltung hinausging, verpflichtete der öffentliche Charak-
ter der Schenkung die Fahrenden dazu, auch in Zukunft den Ruhm ihres
Wohltäters und Herren zu propagieren und negativen Darstellungen entge-
genzuwirken. Resultat des sozioökonomischen Austauschprozesses war, dass
der Adlige für alle Anwesenden sichtbar Reichtum und Großzügigkeit bewies
und den ritterlichen Verhaltenscodex respektierte, was eine Zunahme seines
Ansehens in den Augen der Anwesenden zur Folge hatte. In ähnlicher Weise
war dies auch für die beschenkten Herolde der Fall, bedeutete doch die
Vergabe von Geschenken die Anerkennung ihrer Tätigkeit. Einen hohen sym-
bolischen Wert hatte dabei der Erhalt der Pferdedecken oder anderer mit dem
Wappen ihrer Wohltäter geschmückter Kleidungsstücke, wie eine Miniatur
der Münchener Handschrift des Romans Willehalm von Orlens des Autors
Rudolf von Ems aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigt (Abb. I).93 Die
frühen Herolde erhielten auf diese Weise einen Platz im Gefüge der adligen

91 FLECKENSTEIN, Turnier, S. 248, insbesondere Anm. 67.
92 Bumke geht von einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus, dass tatsächlich gelegentlich Frei-
giebigkeit in übergroßer Form mit dem Ziel geübt wurde, den Namen des Spenders zu ver-
herrlichen; Bumke, Höfische Kultur, S. 371. Freigiebigkeit ist ein Grundmechanismus der rit-
terlich-höfischen Gesellschaft, so Georges Duby in Hinblick auf die „Jugend"; siehe Duby,
Jeunes, S. 838-844. Neue Perspektiven weist auf Jan Keupp: Verschwendung - Luxus - Kapi-
tal. Das Turnier des Hochmittelalters als Beispiel adliger Ökonomie, in: Recht und Verhalten
in vormodernen Gesellschaften, Festschrift für Neithard Buist, hgg. von Andrea Bendlage,
Andreas Priever, Peter Schuster, Bielefeld 2008, S. 35-49.
93 So München, BSB, Cgm 63, fol. 56v (um 1270/80) und Erika WEIGELE-ISMAEL: Rudolf von
Ems. Wilhelm von Orlens. Studien zur Ausstattung und zur Ikonographie einer illustrierten
deutschen Epenhandschrift des 13. Jahrhunderts am Beispiel des Cgm 63 der Bayrischen
Staatsbibliothek München, Frankfurt a. Main (u.a.) 1997 (Europäische Hochschulschriften,
28; Kunstgeschichte, 285), S. 138-140 und 330-331; William Henry JACKSON: Warfare in the
Works of Rudolf von Ems, in: Writing war. Medieval literary responses to warfare, hg. von
Corinne Saunders, Woodbridge 2004, S. 49-75. Das gleiche Phänomen lässt sich auch für die
Darstellung der Herolde im Tournoi de Chauvency nachweisen; Nancy Freeman Regalado:
Picturing the story of Chivalry in Jacques Bretel's Tournoi de Chauvency (Oxford, Bodleian
Library, Ms Douce 308), in: Tributes to Jonathan J. G. Alexander. The making and meaning of
illuminated medieval & Renaissance manuscripts, art & architecture, hgg. von Susan
L'Engle, Gerald B. Guest, London 2006, S. 341-355.
 
Annotationen