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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0059

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Entwicklung. Die Rolle der Herolde im mittelalterlichen Turnier

Adel eine abwehrende Reaktion hervor, die in der Ausformung und Durch-
setzung des Prinzips der Turnierfähigkeit bestand. Institutionellen Nieder-
schlag fand diese Norm in den Adelsgesellschaften, die in einer ersten Periode
zwischen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts sowie nach einer Phase relativen Niedergangs in einer zwei-
ten Periode von den 1470er und bis in die 1490er Jahre hinein aktiv waren.152
Diese Gemeinschaften wiesen mit dem Ziel der sozialen Kontrolle ein regel-
rechtes Programm mit Kleiderordnung und Verhaltenscodex auf, das die Ko-
häsion der Gruppe und die ständische Selbstbehautpung stärken sollte. Zwei
der bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind Wilwolt von Schaumburg und
Ludwig von Eyb, die bei den sogenannten Turnieren der Vier-Lande sehr ak-
tiv waren.153 Diese Serie zeichnete sich als jene von Veranstaltungen mitdem
größten Innovationspotential im Reich aus.154 Zugleich führte sie die Möglich-
keiten des Niederadels an ihre ökonomischen Grenzen und musste deshalb
am Ende des 15. Jahrhunderts eingestellt werden.
Der Hochadel war Profiteur dieser Entwicklung, konnte er, der auch das
gesamte 15. Jahrhundert als Ausrichter und Teilnehmer von Turnieren belegt
ist, doch langfristig das adlige Turnier im ausgehenden 15. Jahrhundert immer
stärker an seinen Höfen monopolisieren.155 Am auffälligsten ist in diesem Zu-
sammenhang der Hof Maximilians L, an dem die ritterlich-höfische Kultur
und auch das Turnier im Reich nie dagewesene Ausmaße in Darstellung und
Realisation erreichten. Maximilian war selber ein aktiver und versierter Kämp-

152 Umfassend bearbeitet von Andreas Ranft: Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Ge-
nossenschaft im spätmittelalterlichen Reich, Sigmaringen 1994 (Kieler Historische Studien,
38). Bilden hier vor allem die Gesellschaften der „Fürspänger" und „Esel" das Grundgerüst
der Arbeit, findet sich eine Zusammenstellung aller Vereinigungen bei Holger Kruse, Wer-
ner Para vicini, Andreas Ranft (Hgg.): Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelal-
terlichen Deutschland. Ein systematisches Verzeichnis, Frankfurt a. M. (u.a.) 1991 (Kieler
Werkstücke. Reihe D: Beiträge zur europäischen Geschichte des Spätmittelalters, 1).
153 Sven Rabeler: Niederadlige Lebensformen im späten Mittelalter. Wilwolt von Schaumburg
(um 1450-1510) und Ludwig von Eyb d. J. (1450-1521), Stegaurach 2006 (Veröffentlichungen
der Gesellschaft für fränkische Geschichte. Reihe 9: Darstellungen aus der fränkischen Ge-
schichte, 53).
154 Die Vier-Lande-Turniere weckten bei den Zeitgenossen sowie in der Forschung das größte
Interesse, weshalb sie innerhalb der Gruppe der Turnierveranstaltungen im Reich am besten
dokumentiert sind. Die Forschung hat aber zeigen können, dass dieser Umstand die Beschäf-
tigung mit dem Turnier im Reich einengt, aber zugleich wie ein Brennglas funktioniert,
durch das die Funktion des Turniers innerhalb des gesellschaftlichen Wandels des Spätmit-
telalters deutlicher erkennbar wird; vgl. zunächst mit ersten wichtigen Beobachtungen Wili-
am Henry JACKSON: The Tournament and Chivalry in German Tournament Books of the Six-
teenth Century and in the Literary Works of Emperor Maximilian L, in: The Ideals and Prac-
tice of Medieval Knighthood. Papers from the first and second Strawberry Hill Conference,
hgg. von Christopher HARPER-BILL, Ruth HARVEY, Woodbridge 1986, S. 49-73. Dann analy-
tisch weiterführend Joseph MORSEL: Le tournoi, mode d'éducation politique en Allemagne à
la fin du Moyen Age, in: Éducation, Apprentissages, Initiation au Moyen Age, Bd. 2, (Actes
du premier colloque international du C.R.I.S.I.M.A., Montpellier, novembre 1991), Paris 1993,
S. 309-331 und grundlegend für alle weitere Beschäftigung Andreas Ranft: Die Turniere der
vier Lande. Genossenschaftlicher Hof und Selbstbehauptung des niederen Adels, in: Zeit-
schrift für die Geschichte des Oberrheins 142 (1994), S. 83-102.
155 Barber / Barker, Geschichte, S. 88-91.
 
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