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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0117

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Heroldsamt. Ursprung, Ausbildung, Institutionalisierung

Herolde und Persevanten erscheinen dabei im Gefolge der böhmischen und
ungarischen Könige auf einer /Preußenreise', wie sie von Paravidni umfas-
send bearbeitet wurde.318 Dabei handelt es sich um ein Phänomen des europä-
ischen Adels, der etwa zwischen 1328 und 1413 in das Gebiet des Deutschen
Ordens aufbrach, um im Sinne eines nordischen Kreuzzuges gegen die heidni-
schen Litauer zu kämpfen. Königsberg und die Marienburg wurden so zu
einem Zentrum europäischer Ritter kultur. Die anwesenden Herolde lassen
sich aufgrund unterschiedlicher Quellengattungen, die über die Reisen und
den Aufenthalt in Preußen informieren, auch in nicht-literarischen Quellen
nachweisen.
Auf diese Weise kann einem methodischen Defizit von funktionsgeschicht-
lichen Analysen mittelalterlicher Dichtung begegnet werden, denen es häufig
an der Möglichkeit mangelt den Befund historisch zu situieren und die be-
schriebenen Personen, Raum- und Zeitangaben sowie die Szenerie in spezifi-
schen Kontexten zu verzifizieren. Da sich die älteren im Reich verbreiteten
Konzepte der Ausrufer keineswegs auf den höfischen Roman beschränken,
sondern sich auch in anderen Quellengattungen nachweisen lassen, soll im
Folgenden die Quellenbasis erweitert werden, um den Ausdifferenzierungs-
prozess der Herolde und ihre zunehmende Verbreitung ab dem Ende des
13. Jahrhunderts zu beschreiben.319 Dieser Zusammenhang macht auch darauf
aufmerksam, dass nicht so sehr die Fragen nach dem genauen Zeitpunkt der
Nachweisbarkeit eines deutschen Herolds und ob die Herolde „plötzlich"
erscheinen, worauf die Analyse von Ursula Peters zielte, von Bedeutung sind.
Wichtiger ist die Betrachtung des Kontextes, in den sich diese Belege ein-
schreiben und der sich durch einen gesteigerten Verdichtungsprozess des
Heroldsamtes in Westeuropa auszeichnet.320
Vor dem Hintergrund dieses Befundes ergeben sich für das vorliegende
Kapitel zwei zentrale Untersuchungsfelder. Einerseits betrifft dies die begriff-

Linden, Berlin (u.a.) 2009, S. 285-298; zu seiner Person und gegen seine Bezeichnung als He-
rold eingängig Achnitz, Gestörte Hochzeit.
318 Werner Para VICINI: Die Preußenreisen des europäischen Adels, Bd. 1, Sigmaringen 1989
(Beihefte der Francia, 17,1).
319 Ein bekanntes Beispiel, weil sie Hinweise zum Leben Walthers von der Vogelweide geliefert
haben, bilden die Reiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau aus den Jahren 1203/04.
Die garciones verrichten den garzüne bzw. „Knappen von den Wappen" gleich, wie Ursula
Peters schon herausgestrichen hat, eine breite Palette an Aufgaben, indem sie den Fürsten
begleiten, Briefe überbringen, Lastpferde führen und dafür Geldgaben erhalten. Vgl. Peters,
Herolde, S. 245. Weiterhin finden sich die garcones in der Wormser Verordnung bezüglich
der Spielleute aus dem Jahr 1220, in der joculator, joculatorix, histrio aut gardo zusammen ge-
nannt werden und auf ihre gemeinsame Zuschreibung zur funktionalen Gruppe der Unter-
halter aufmerksam gemacht wird; Urkundenbuch der Stadt Worms, Bd. 1: 627-1300, hg. von
Heinrich Boss, Berlin 1886 (Quellen zur Geschichte der Stadt Worms, 1), Nr. 126, S. 97-98.
Gleiches trifft auf ihre Nennung im Wiener Stadtrecht des Jahres 1221 zu: Inhonestam perso-
nam, scilicet garzionem vel levem ioculatorem [...] Urkundenbuch zur Geschichte der Babenber-
ger in Österreich, Bd. 2: Die Siegelurkunden der Babenberger und ihrer Nachkommen von
1216 bis 1279, bearb. von H. Fichtenau und hg. von Oskar VON Mitis, Wien 1955 (Publikati-
onen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Reihe 3,2), S. 18 und 60.
320 Peters, Herolde, S. 246.
 
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