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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0160

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Die Entstehung des Heroldsamtes

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schienen sind, noch ihr Aufkommen mit einer kulturellen „Verspätung" er-
folgte. Die Ergebnisse der vorliegenden Analyse legen eher den Schluss nahe,
dass vielmehr der Verdichtungs- und Expansionsprozess den Ausgangspunkt
für die Übernahme der Bezeichnung des Herolds und seiner neuen Konzepti-
on bildete.
Damit zusammengehend kann zum anderen eine Entwicklung des He-
roldsbegriffs selbst festgestellt werden. War am Anfang des 14. Jahrhunderts
innerhalb der ministrallica am englischen Hof die Unterscheidung zwischen
den ménestrels und den heralds auszumachen, können patronisierte Herolde
am Ende des Jahrhunderts durch ihre Zuordnung zu einem Herrn eindeutig
identifiziert werden. Der Heroldsbegriff hat sich zu einer Funktionsbezeich-
nung entwickelt, die ihren Träger von anderen Hofunterhaltern unterscheidet
und anhand derer er in den Stadtrechnungen erkennbar wird. Anhand der
Auswertung der Ausgabelisten von drei süddeutschen Reichsstädten, drei
niederrheinsichen Städten und einer oberrheinischen Stadt konnte in exempla-
rischen Tiefschnitten gezeigt werden, dass es vor allem die Gruppe der Reichs-
fürsten war, die Herolde in ihren Diensten führte. Hinzu treten nieder adii ge
Organisationen wie die Adelsgesellschaften oder regionale Ritterschaften, die
sich durch ihre Bestrebungen, sich zwischen dem aufstrebenden Bürgertum
und den Fürsten mit ihren zentralisierenden Tendenzen als eigenständige
Gruppe zu behaupten, auszeichneten. In diese Bemühungen lassen sich die
Indienstnahme von Herolden wie die Organisation von Turnieren einordnen.
Einzelne kleinere Herren sind nur sporadisch vertreten, Städte führen keine
Herolde. Dies stellt einen Unterschied zu den Beobachtungen bezüglich des
Heroldsamtes in Frankreich und im burgundischen Raum dar, wo Stadtherol-
de präsent sind. Es ist denkbar, dass in den Städten des römisch-deutschen
Reiches das weit entwickelte Verfahren einer Anstellung von städtischen
Funktionsträgern, von Rechtsvertretern über Schreiber bis zu Boten, dem
funktionalen Bedarf und zugleich dem um Eigenständigkeit bemühten Reprä-
sentationswillen der Städte genügte. Eine Anleihe bei dem eindeutig über die
Adelskultur bestimmten Heroldsamt zu nehmen, ist vermutlich als nicht ge-
winnbringend erkannt worden.496
Aufgrund ihrer wechselnden Betätigungen und ihrer Nennung teilweise
nur über ihren zivilen Namen ist die Identifikation für fahrende Herolde
schwerer zu leisten. Ihre lautmalerischen Namen blieben hingegen zunächst
ihr Markenzeichen. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind solche
Namen in den behandelten Rechnungsquellen nicht mehr belegt, was auf ei-
nen Wandel innerhalb der Gruppe der Hofunterhalter hindeutet.497 Die Aus-
differenzierung der Bezeichnung weist in dem Maß eine gewisse Eigendyna-
mik auf, in dem sie in den städtischen Ausgabelisten für Gesandte von Reprä-
sentanten genutzt wird, die keine Herolde in ihren Diensten führten. Dies
kann auf einen Gebrauch des Heroldsbegriffs im übertragenden Sinn für

496 Zur Ähnlichkeit zwischen Stadtboten und Herolden siehe Hübner, Im Dienste ihrer Stadt,
S. 249-256.
497 Schubert, Fahrendes Volk, S. 153-173.
 
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