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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0250

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Herolde und adlige Konflikte

249

der Herold Königsberg, den Muracher unangemessen hart angegriffen und ihm
unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen habe. Dagegen sprach sich Königsberg
unter erneutem Verweis auf seiner im Amtseid zum Ausdruck gebrachten
Verpflichtung zum wahrhaftigen Bericht dezidiert aus und erhielt Unterstüt-
zung von seinem Kollegen Berg, der bezeugt, dass beide wahrheitsgemäßes
Zeugnis über die Unterredung mit Ulrich Muracher abgelegt und sich keines
Vergehens schuldig gemacht hätten. Diese Ausführungen eröffnen einen Ein-
blick in das ausgeprägte Selbstverständnis der Herolde, da sie immerhin einen
Niederadligen der Falschaussage bezichtigen. Letzter Punkt macht zugleich
darauf aufmerksam, dass der Einsatz der Herolde der Akzeptanz der Beteilig-
ten unterlag, diese aber zum einen durch den Hinweis auf den Eid und zum
anderen durch den Auftraggeber und seinen Status innerhalb der jeweils be-
teiligten Öffentlichkeit erhöht werden konnte.
Hans von Hirschhorn hatte als Mitglied der das Turnier in Frankfurt aus-
richtenden Eselsgesellschaft einen „Heimvorteil" und konnte den Muracher
auch durch die Zeugenaussage der Herolde von seinen Standesgenossen, die
das genossenschaftliche Schiedsgericht bildeten, als Übeltäter isolieren.748 Der
Zweck der Kommunikation bestand für beide Konfliktparteien darin, den
strittigen Vorgang nach den Regeln des adligen Verhaltenscodex auszurichten,
für dessen formale wie stilistische Umsetzung die Herolde geeignete und an-
erkannte Zeugen waren. Dieser Umstand macht deutlich, dass Hans von
Hirschhorn hier das Turnier nicht als Bühne für Wettkämpfe, sondern für die
soziale Anklage nutzte. Für die Entscheidung des Schiedsgerichts war der
Report der Herolde zwar juristisch unbedeutend, da die Schiedsrichter auf-
grund der formalen Missachtung eines früheren Rechtsgebots den Muracher
einwandfrei schuldig sprechen konnten. Ein Einfluss der Vorträge der Herol-
de auf die Entscheidungsfindung der Richter wird aber dennoch anzunehmen
sein.
Ein erstes Beispiel für einen ähnlichen Einsatz von Herolden unter Hochadli-
gen im Reich ist für einen Konflikt zwischen 1412/1413 belegt, in dessen Zent-
rum Markgraf Bernhard I. von Baden und sein Eingreifen in die Auseinander-
setzungen um die Erbfolge in Lothringen zugunsten Herzog Karls II. standen.
Im Verlauf eines Feldzuges soll der Markgraf einer vermeintlichen franzö-
sischen Übermacht um den Herzog von Bar in der Nähe von Nancy im Sep-
tember 1412 aus ge wichen sein, was zu einer Kontroverse über die „Ritterlich-
keit" des Badeners führte.749 Dabei gerieten auch die Unterstützer des Mark-
grafen, Pfalzgraf Ludwig III. und sein jüngerer Bruder Otto, in die Kritik, da
Bernhard von Baden versuchte, sie als Verursacher des Gerüchts zu identifi-

gen, die strenglich Ritter Herr Johann Kerner von Dalberg, Hr. Rudolf/ von Zeißkem vnd Her Sifridt
von Oberstein daß sie jre jngl. Für vns haben gehangen, an dissen Br iff des wir Friederich Graff zu
Lynungen Johann Kemer. Rudolff von Zeißkem von Sifridt vom Obersteine Ritter vns bekenen.
Datum in die Fabiani & Sebastiani. Anno Dom. MCCCCNono. Chronica, hg. Lersner, Buch 1,
Kap. XVIII, S. 240-244.
748 Siehe auch Ranft, Adelsgesellschaften, S. 172-173.
749 Jüngst ausführlich dargestellt bei Hammes, Ritterlicher Fürst, S. 338-347.
 
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