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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0276

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Herolde und adlige Konflikte

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einer ideen- und rechtsgeschichtlich erklärbaren zunehmenden Formalisie-
rung adliger Konfliktführung im späten Mittelalter. Diese vollzieht sich ent-
lang kriegsrechtlicher Abhandlungen des 14. und 15. Jahrhunderts und des
droit d'armes, das unterschiedliche Leitbilder, Regeln, Gewohnheiten und Ritu-
ale der ritterlichen Welt umfasste. Damit war ein erheblicher Bedeutungszu-
wachs des ritterlichen Ideals verbunden, aufgrund dessen Verbindung mit der
Vorstellung adliger Ehre gelangte aber zugleich eine moralisch-ethische Kom-
ponente in das Verfahren.
Anhand der Praxis der Übergabe von Herausforderungen zeigen sich noch
weitere Eigenschaften dieser Art der politischen Kommunikation, die auf dem
Aufbau moralischen und sozialen Drucks gegenüber dem Gegner beruhte, der
wiederum teilweise zu heftigen Reaktionen der Betroffenen führte, weil durch
diese Art ihre soziale Interaktionsfähigkeit direkt gefährdet wurde. Dies be-
schreibt eine Grundkonstante der mittelalterlichen Diplomatie, die darin be-
steht, dass Außenpolitik als adlig-höfische Interaktion organisiert war und aus
diesem Grund politische Kommunikation mit der Bekundung von sozialer
Wertschätzung verbunden war.819 Über das Mittelalter hinaus sollte sich die
Absage als Form der Kriegserklärung in der Neuzeit etablieren. Die Funktion
der Herolde bestand auch in diesem Kontext wie bereits im Rahmen des Tur-
niers darin, die gewünschten Formalisierungs- und Stilisierungswünsche des
Adels umzusetzen. Ihre Einbeziehung blieb aber vom Konsens der beteiligten
Adligen abhängig. Fehlte diese Übereinstimmung, so wurden grundlegende
Faktoren ihres Status in Zweifel gezogen, was die Abhängigkeit der Herolde
von ihrer sozialen Akzeptanz im Adel zeigt.
Die Vorstellung von den Inhalten, die mittels eines Herolds symbolisch
zum Ausdruck gebracht werden konnten, zeigt die Beschreibung der Überga-
be der Kriegserklärung Friedrichs III. an Karl den Kühnen durch Romreich im
Fugger'schen Ehrenspiegel. Das beleidigende Vorgehen des Herolds kann
dabei der Darstellungsabsicht des Autors zugeschrieben werden, der dem
Kaiser mutiges Vorgehen gegen eine Bedrohung des römisch-deutschen
Reichs zugestand und ihn darin als Vorbild für nachfolgende Generationen
habsburgischer Monarchen empfehlen wollte. Das Beispiel weist darüber hin-
aus auf die Verschränkung der Funktion des Herolds als Repräsentant seines
Herrn, zugleich auch Inhaber seines Amtes hin, aufgrund dessen dem jeweili-
gen Herold spezifische Kompetenzen zugeschrieben wurden.
Schließlich gehört in den hier zu referierenden Zusammenhang auch die
Aufforderung zur Schlacht und die in der Überlieferung bezeugte Aussage,
wonach Adlige kriegsrelevante Handlungen ex informacione heraldorum durch-
führten. Hierin bestätigt sich erneut, dass den Herolden eine Expertise in Fra-
gen adliger Gewohnheiten und Vorstellungen zuerkannt wurde. Die Grund-

819 Aus der umfangreichen Literatur zur mittelalterlichen Außenpolitik und ihren Organisati-
onsformen sei hier nur verwiesen auf LUTTER, Politische Kommunikation; KlNTZINGER,
Westverbindungen; Märtl / Zey (Hgg.), Europäische Diplomatie. Für die Frühe Neuzeit un-
ter Berücksichtigung des Spätmittelalters Lucien Bely: La société des princes. XVIe-
XVIIIe siècle, Paris 1999.
 
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