Erich Dinkler
Beobachtungen zur Ikonographie des
Kreuzes in der nubischen Kunst
Einsetzend in spätkonstantinischer Zeit, zunehmend seit Theodosius L, der gegen 380 die
Kreuzigungsstraf abschaffte, weil sie die Todesart des Herrn Jesus Christus war, kam es in der
Kunst zur Ausbreitung des Kreuzes als des Siegeszeichens Christi und als des Zeichens, mit dem
man Menschen und Gebäude signierte, die im Dienste Christi oder seiner Kirche stehen. Die
relativ wenigen vortheodosianischen Kreuzdarstellungen, besonders als Anastasiskreuz auf den
Passionssarkophagen oder — vereinzelt — als Kreuz des Simon von Kyrene1, lassen erkennen, dass
Mitte des 4.Jh. das Kreuz noch nicht zum zentralen Symbol des Christentums geworden war, wie
das etwa seit dem 5.Jh. der Fall ist. Vor 300 sind nur ganz vereinzelt Kreuzzeichen bezeugt2, in der
Sarkophagplastik wie in der Katakombenmalerei des 3.Jh. ist bisher nichts eindeutig
Christliches bekannt3. Der Befund ist derart deutlich, dass beim Vorkommen eines
Kreuzes dieses zum Indiz einer Datierung verwendet werden kann: vermutlich spät — bzw.
nachkonstantinisch.
Schon die ältesten Darstellungen des Kreuzes weisen ikonographisch und ikonologisch eine
verschiedene Form und Konzeption auf: ein lateinisches Kreuz auf den Passionssarkophagen4 und
auf einem römischen Sarkophagdeckel5, hier hinter der thronenden Maria bei der Magieranbetung;
ein gemmenbesetztes Kreuz in der Hand des auf dem Paradiesberg stehenden Christus6, — woraus
man zweifellos auf ein entsprechendes Vorbild in der Goldschmiedekunst zurückschliessen darf. Im
Osten des Reiches tritt Ende des 4.Jh. erstmalig in Byzanz das Kreuz mit den ausschwingenden
Enden auf dem Sarkophag aus Sarigüzel auf : das Kreuz ist hier Gegenstand der Akklamation zweier
Apostel7. Es ist eine Vorform des Kreuzes mit tropfen — oder apfelförmigen Enden8 und des die
koptische Kunst beherrschenden sog. Malteserkreuzes9. Auch das in der Epigraphik und Keramik
häufige Krückenkreuz ist nur eine stilisierte Form des Kreuzes mit ausschwingenden Enden. — Diese
Entfaltung der Kreuzformem ging anscheinend in der Zeit zwischen ca. 340 und 440 vor sich,
besonders in theodosianischer Zeit, wobei das Kreuz mehr Hinweis auf das durch Christi
Auferstehung verherrlichte, also doxologische Kreuz ist, als etwa auf das historische
1 Zum Thema E. Dinkler, Das Kreuz als Siegeszeichen, Signum Crucis (1967) 58 f; id., in: LCI (= Lexicon der
Christi. Ikonographie, Freiburg i. Br. 1969 ff.), II, 572. Auf dem ältesten erhaltenen Passionssarkophag, ehern. Lateran
171, jetzt Museo Pio Cristiano Rom, um 350, auch Simon von Kyrene, ein latein. Kreuz tragend (Signum Crucis,
Abb. 7).
2 Abzulehnen als christl. Kreuzsymbole sind das sog. „Bäckerkreuz” in Pompeji und ein aus Spuren auf der Stuckflache
in der Casa de Bicentenario zu Herculaneum erschlossenes „Kreuz”. Umstritten ist das Kreuz im Aurelierhypogäum zu
Rom, Mitte 3. Jh.; vgl. LCI, II, 2, 570/B. Einen Bezug auf das Kreuz hat vermutlich das eingeschobene Buchstabe Tau
in dem Akrostichon ITXOYC im Innocentier- Hypogäum unter S. Sebastiano, Rom, um 250; vgl. ibid., 571 /C 2.
3 Zur Unhaltbarkeit der Hypothesejudenchristi. Kreuze in Palästina vgl. E. Dinkler, Kreuzzeichen und Kreuz, Signum
Crucis, 46 ff.
4 Siehe oben, Anm. 1.
5 Rom. Vatikan. Grotten, 2. Drittel 4. Jh.; Repertorium der christl.-antiken Sarkophage, hrsg. von F. W. Deichmann,
bearb. von G. Bovini u. H. Brandenburg, I (1967) Nr. 690.
6 sog. Probus-Sarkophag aus den Vatikan. Grotten, letztes Jahrzehnt 4. Jh. ; ibid., Nr 678.
7 Instanbul, Archeol. Museum, zwischen 380/390; Dinkler, Signum Crucis, Taf. IV, Abb. 12.
8 Zu dem in der Patria Konstantinoupoleus, II, 50 (ed. Th. Preger), 1907, 178 beschriebenen Kreuz auf dem Forum
in Konstantinopel, das „an den Ecken mit runden Äpfeln” ausgestattet war, und dessen Aufstellung vermutlich
Theodosius I. zuzuschreiben ist vgl. Dinkler, Das Kreuz, op. cit., 68 f. Die Form lebt auch in nubischen
Kreuzen weiter, so ein Anhängekreuz aus Bronze v. J. 1005 (Abb. 15 = Katalog Das Wunder aus Faras, Essen 1969,
Nr 81) das seinerseits eng an byzantin. Vorbilder anchliesst (Abb. 16 = Μ. C. Ross, Catal. of the Byz. and Early
Med. Antiquities in the Dumb. Oaks Coll., I, 1962).
9 Vgl. unten Abb. 14—16.
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Beobachtungen zur Ikonographie des
Kreuzes in der nubischen Kunst
Einsetzend in spätkonstantinischer Zeit, zunehmend seit Theodosius L, der gegen 380 die
Kreuzigungsstraf abschaffte, weil sie die Todesart des Herrn Jesus Christus war, kam es in der
Kunst zur Ausbreitung des Kreuzes als des Siegeszeichens Christi und als des Zeichens, mit dem
man Menschen und Gebäude signierte, die im Dienste Christi oder seiner Kirche stehen. Die
relativ wenigen vortheodosianischen Kreuzdarstellungen, besonders als Anastasiskreuz auf den
Passionssarkophagen oder — vereinzelt — als Kreuz des Simon von Kyrene1, lassen erkennen, dass
Mitte des 4.Jh. das Kreuz noch nicht zum zentralen Symbol des Christentums geworden war, wie
das etwa seit dem 5.Jh. der Fall ist. Vor 300 sind nur ganz vereinzelt Kreuzzeichen bezeugt2, in der
Sarkophagplastik wie in der Katakombenmalerei des 3.Jh. ist bisher nichts eindeutig
Christliches bekannt3. Der Befund ist derart deutlich, dass beim Vorkommen eines
Kreuzes dieses zum Indiz einer Datierung verwendet werden kann: vermutlich spät — bzw.
nachkonstantinisch.
Schon die ältesten Darstellungen des Kreuzes weisen ikonographisch und ikonologisch eine
verschiedene Form und Konzeption auf: ein lateinisches Kreuz auf den Passionssarkophagen4 und
auf einem römischen Sarkophagdeckel5, hier hinter der thronenden Maria bei der Magieranbetung;
ein gemmenbesetztes Kreuz in der Hand des auf dem Paradiesberg stehenden Christus6, — woraus
man zweifellos auf ein entsprechendes Vorbild in der Goldschmiedekunst zurückschliessen darf. Im
Osten des Reiches tritt Ende des 4.Jh. erstmalig in Byzanz das Kreuz mit den ausschwingenden
Enden auf dem Sarkophag aus Sarigüzel auf : das Kreuz ist hier Gegenstand der Akklamation zweier
Apostel7. Es ist eine Vorform des Kreuzes mit tropfen — oder apfelförmigen Enden8 und des die
koptische Kunst beherrschenden sog. Malteserkreuzes9. Auch das in der Epigraphik und Keramik
häufige Krückenkreuz ist nur eine stilisierte Form des Kreuzes mit ausschwingenden Enden. — Diese
Entfaltung der Kreuzformem ging anscheinend in der Zeit zwischen ca. 340 und 440 vor sich,
besonders in theodosianischer Zeit, wobei das Kreuz mehr Hinweis auf das durch Christi
Auferstehung verherrlichte, also doxologische Kreuz ist, als etwa auf das historische
1 Zum Thema E. Dinkler, Das Kreuz als Siegeszeichen, Signum Crucis (1967) 58 f; id., in: LCI (= Lexicon der
Christi. Ikonographie, Freiburg i. Br. 1969 ff.), II, 572. Auf dem ältesten erhaltenen Passionssarkophag, ehern. Lateran
171, jetzt Museo Pio Cristiano Rom, um 350, auch Simon von Kyrene, ein latein. Kreuz tragend (Signum Crucis,
Abb. 7).
2 Abzulehnen als christl. Kreuzsymbole sind das sog. „Bäckerkreuz” in Pompeji und ein aus Spuren auf der Stuckflache
in der Casa de Bicentenario zu Herculaneum erschlossenes „Kreuz”. Umstritten ist das Kreuz im Aurelierhypogäum zu
Rom, Mitte 3. Jh.; vgl. LCI, II, 2, 570/B. Einen Bezug auf das Kreuz hat vermutlich das eingeschobene Buchstabe Tau
in dem Akrostichon ITXOYC im Innocentier- Hypogäum unter S. Sebastiano, Rom, um 250; vgl. ibid., 571 /C 2.
3 Zur Unhaltbarkeit der Hypothesejudenchristi. Kreuze in Palästina vgl. E. Dinkler, Kreuzzeichen und Kreuz, Signum
Crucis, 46 ff.
4 Siehe oben, Anm. 1.
5 Rom. Vatikan. Grotten, 2. Drittel 4. Jh.; Repertorium der christl.-antiken Sarkophage, hrsg. von F. W. Deichmann,
bearb. von G. Bovini u. H. Brandenburg, I (1967) Nr. 690.
6 sog. Probus-Sarkophag aus den Vatikan. Grotten, letztes Jahrzehnt 4. Jh. ; ibid., Nr 678.
7 Instanbul, Archeol. Museum, zwischen 380/390; Dinkler, Signum Crucis, Taf. IV, Abb. 12.
8 Zu dem in der Patria Konstantinoupoleus, II, 50 (ed. Th. Preger), 1907, 178 beschriebenen Kreuz auf dem Forum
in Konstantinopel, das „an den Ecken mit runden Äpfeln” ausgestattet war, und dessen Aufstellung vermutlich
Theodosius I. zuzuschreiben ist vgl. Dinkler, Das Kreuz, op. cit., 68 f. Die Form lebt auch in nubischen
Kreuzen weiter, so ein Anhängekreuz aus Bronze v. J. 1005 (Abb. 15 = Katalog Das Wunder aus Faras, Essen 1969,
Nr 81) das seinerseits eng an byzantin. Vorbilder anchliesst (Abb. 16 = Μ. C. Ross, Catal. of the Byz. and Early
Med. Antiquities in the Dumb. Oaks Coll., I, 1962).
9 Vgl. unten Abb. 14—16.
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