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Symposium on Nubian Studies <2, 1972, Warschau> [Hrsg.]; Society for Nubian Studies [Hrsg.]; Michałowski, Kazimierz [Bearb.]
Nubia: récentes recherches ; actes du Colloque Nubiologique International au Musée National de Varsovie, 19 - 22 Juin 1972 — Varsovie: Musée National, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.47598#0173

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Karl Heinz Priese

Das „äthiopische” Niltal bei Bion
und Juba (Arbeitsbericht)
Zu den bemerkenswertesten Quellen für die Topographie des Niltales zwischen Assuan und Meroe
im Altertum gehören zweifellos die Listen von Ortschaften, die uns C. Plinius Secundus in seiner
„Naturalis historia” überliefert hat. Es sind dies
1. Eine Liste von Orten am Ostufer nach Bion von Soloi (6,178 — 27 Orte);
2. Eine zweite Ostuferliste nach Juba II., König von Mauretanien (6,179 — 41 Orte);
3. Eine Liste von Orten am Westufer nach Bion (6,180 — 25 Orte);
4. Die Liste der von P. Petronius auf seinem Zuge nach Napata 23 v.u.Z. eroberten Orte
(6,181 —7 Orte);
5. Die Liste der römischen Expedition unter Nero, 67 oder 66 u. Z. (6,184 — 5-10 Orte).
Von diesen Listen sind die wichtigsten die ersten drei. Sie nennen uns zusammen 74 verschiedene
Orte. Da wir bei ihnen wenigstens die Chance haben, dass die Orte in ihrer richtigen Folge das
Niltal aufwärts aufgezählt werden, ergibt sich für diese Listen eine einzigartige Stellung innerhalb
der Gesamtmasse der topographischen Quellen für diesen Teil des Niltales aus dem gesamten
Altertum überhaupt. Die Berechtigung, diese Listen als echte Itinerarien aufzufassen, lässt sich
freilich nicht strikt im Voraus beweisen. Dafür wissen wir zu wenig über ihre Autoren.
Bion von Soloi lebte in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.u.Z. Er ist selbst in Meroe gewesen und
darüber hinaus nach Süden vorgedrungen. Er schrieb ein Werk „Aithiopika” in mehreren Büchern,
dass sich nach den wenigen erhaltenen Zitaten zu urteilen, eines guten Rufes als Quellenwerk
erfreute. J. Desanges hat kürzlich seine Anwesenheit in Meroe in Zusammenhang gebracht mit den
Tierfangexpeditionen zur Zeit der ersten Ptolemäer, die bis zum Ausbruch der thebanischen
Aufstände seit 206 v.u.Z. das Niltal aufwärts in die Fanggründe zogen.
Die Liste des Juba stammt aus einem Sammelwerk über Arabien, das er im Hinblick auf einen
geplanten Feldzug des Augustus etwa 2/1 v.u.Z. in griechischer Sprache schrieb. Seine Ortsliste
stammt also ebenfalls aus einer älteren Quelle, und die Übereinstimmung mit Bion ist immerhin
so gross, dass wir auch hier ein Itinerar wenigstens vermuten dürfen.
Ausserordentlich wichtig ist, dass Plinius nicht den Versuch gemacht hat, die Listen zu „bearbeiten”,
sondern sie offensichtlich, von ungewollten Fehlern abgesehen, getreu seinen Vorlagen wiedergab.
Der Vorwurf unkritischer Arbeitweise, der ihm so oft gemacht wird, ist für uns ein entschiedener
Vorteil. Leider gibt er fast nur die Namensreihen, während seine Quellen wohl einen umfangreicheren
Kontext geboten hatten. Siehe die zahlreichen im Akkusativ auf -en zitierten Namen.
Noch ein weiterer Mangel ist zu nennen. Vielleicht schon Bion selbst, sonst aber Plinius, hat durch
die getrennte Aufzählung der Orte für Ost- bzw. Westufer den natürlichen Zusammenhang der
Abfolge der Ortschaften das Niltal aufwärts zerrissen. Dieser Zusammenhang ist aber wichtig,
da sich die Orte aus siedlungsgeographischen Gründen und wegen der Möglichkeit streckenweise
verschiedene Reiserouten zu wählen, nicht an jedem Ufer gleichmässig verteilen.
Die handschriftliche Überlieferung geht teilweise nicht über orthographische Abweichungen hinaus.
Für manche Namen lässt sich die originale Wortform aber kaum rekonstruieren.
Meine Absicht war es, die überlieferten Ortsnamen sowohl mit denen aus den sonstigen klassischen
Quellen, aber auch mit denen aus den ägyptischen Inschriften und vor allem aus den jetzt so
zahlreich vorliegenden meroitischen Texten zu vergleichen und dabei auch zu sicheren
Lokalisierungen zu kommen. Ich bin dabei von folgenden Voraussetzungen ausgegangen:

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