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Symposium on Nubian Studies <2, 1972, Warschau> [Hrsg.]; Society for Nubian Studies [Hrsg.]; Michałowski, Kazimierz [Bearb.]
Nubia: récentes recherches ; actes du Colloque Nubiologique International au Musée National de Varsovie, 19 - 22 Juin 1972 — Varsovie: Musée National, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.47598#0051

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Ausführungen über das Kreuz greifbar sind. Die auffallendste Verschiebung in dem nubischen Text
zeigt sich darin, dass es nicht mehr um das wann und wie der Wiederkehr Christi zum Gericht und
zur allgemeinen Totenauferstehung geht, sondern um die besondere Rolle, die das Kreuz dabei
spielt, um daran die Frage anzuschliessen, welche rettende Funktion das Kreuz — als kultischer
Gegenstand — im Leben des Christen hat oder haben sollte.
Wie in anderen apokryphen Schriften spiegelt sich die gut überlieferte Tatsache, dass Petrus als
erster der Jünger dem Auferstandenen begegnete (vgl. 1. Kor. 15,5) darin, dass es Petrus ist, der
den Herrn bittet, eine Offenbarung über das Mysterium des glorreichen Kreuzes zu geben : „Warum
wirst Du, wenn Du dereinst in Gerechtigkeit Gericht haltest, das Zeichen des glorreichen Kreuzes
bei Dir haben?” Hierauf antwortet Christus an Petrus und die „Brüder” (= Apostel), dass er mit
dem Kreuz den Juden zu Ärgernis und Gericht kommen werde, wegen des von ihnen bei der
Kreuzigung begangenen Unrechts und ihrer Schmähungen. Doch hat das Kreuz — ebenso wie
Christus selbst — die Doppelfunktion zu strafen und zu schützen, Sündern und Gerechten
entgegenzutreten, wenn Christus „auf dem Thron der Glorie sitzend die ganze Welt richten wird”
und dabei das glorreiche Kreuz in seiner Rechten hält. In Aufnahme: von Joel 4,2.12 wird das Tal
Josaphat, wo Gott die Feinde Israels richten wird, als Erscheinungsort des Kreuzes genannt57.
Damit wird der von Juden, Christen und selbst Mohammedanern überlieferte Ort des kommenden
Endgerichtes genannt. Unter dem Schutz des Kreuzes aber sollen diejenigen stehen, die an das
Kreuz glauben, die um des Kreuzes willen Hungrige speisen und Nackte kleiden, oder die zum
Lobpreis des Kreuzes ein Buch schreiben und es einer Kirche widmen. Nachdem dann Gerechte
und Sünder im Vollzug des Weltgerichtes geschieden wurden, „wird ein Kreuz zum Himmel
emporsteigen in Glorie” (§ 23). Die an das Kreuz Glaubenden werden nachfolgen, „um das ewige
Leben zu erben und das Paradies der Ewigkeit”. Bei aller bildhaften Apokalyptik fällt auf, dass
noch eine pointiert paulinische Rechtfertigungslehre ausgesprochen wird : Christus „wird keineswegs
nach dem Gesetze richten, weder dem Worte noch dem Werke nach” — „nur die Kraft des
glorreichen Kreuzes wird erretten und rechtfertigen” (§ 25). Bei beharrlichem Gebet zum
doxologischen Kreuz besitzt der Glaubende ein Mittel künftiger Rettung. Es folgt dann die
Kreuzes-Litanei.
Deutlich ist hier, dass sich das Kreuz verselbständigt hat und Inbegriff des christlichen Heiles
geworden ist, jenes Heiles, das Basis der Rechtfertigung ist und das zugleich am Ende der Tage bei
der Parusie erwartet wird. Ist aber das Kreuz in diesem strengen Sinne das Symbol des Christlichen
Heils, dann ist die Grenze zum Person-Sein des Kreuzes nur gering und allein dem theologisch
Denkenden bewusst, nicht aber der Volksfrömmigkeit. Von hier aus muss der Gedanke des Gebetes
zum Kreuz als Mittel der Rettung verstanden werden, es ist Symbol für die Heilskraft Christi.
Eine Verschiebung hinsichtlich des zeitlichen Horizontes der Herrschaft und Kraft des Kreuzes
liegt freilich zwischen dem Offenbarungstext einerseits und de Litanei anderseits. Letztere sieht das
Kreuz vornehmlich als Kraft in den Widerfahrnissen des gegenwärtigen Lebens — „Stab der
Lahmen”, „Arzt der Kranken”, „Freiheit der Sklaven”, „Quelle der nach Wasser Grabenden” ; der
Offenbarungstext dagegen hat die Zukunft, das eschatologische Weltgericht, und hier vor allem
die Enderlösung aller an Christus und das Kreuz Glaubenden im Blick. Da die Litanei des Kreuzes
mit dem Akzent auf der Gegenwart ohne Zweifel das ältere Traditionsstuck ist, wird man die
Offenbarungsrede Christi als Antwort auf Petri Frage als theologische Rahmung, als Hinweis auf
die Zukunft als die eigentliche Basis der Gegenwart zu verstehen haben. Der in der Kirche vor dem
Stauros-Fresko Betende soll wissen, dass seine ganz konkrete Bitte über die Gegenwart hinaus einen
eschatologischen Ausblick hat. Letztlich ist ein Widerhall der johanneischen Eschatologie in dieser
nubischen Kreuzesfrömmigkeit zu vernehmen. Das historische Kreuz ist Vergangenheit,
gegenwärtige Kraft ist das verherrlichte, das doxologische Kreuz. Insofern treten in der Kunst die
Passionsszenen zurück. Beherrschend ist der Oster-, und Parusiegedanke, beide im Kreuz
symbolisiert.

57 Dies weiss auch der im Jahre 333 n.Ch. berichtende Pilger von Bordeaux; CSEL, XXXIX.
 
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