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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 9.1910

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Nr. 2
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Wade, Charles Paget: Abtei und Markthaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.24106#0092

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ABTEI UND MARKTHAUS

VON C. P. WADE-LONDON

Die folgenden Arbeiten sind die Frucht des Be-
strebens, den Eindruck der Ruhe hervorzu-
heben, Einfachheit in Form und brauchbare Schön-
heit zu erzielen. Sie wollen in diesen Tagen
rasender Eile darauf hinweisen, dass das Heim
mehr als je ein Ort der Ruhe und des Friedens
sein sollte, eine Zuflucht für ruhiges Denken und
für Mussestunden, ein „Hafen“ nach der Sorge
und Arbeit des Tages. V

V Das Kloster, genannt „The Haven“, gibt einen
solchen Eindruck der Ruhe: es ist um einen Hof
herum gebaut, dessen Flügel aus grauem Stein,
dessen glatte, stille Mauern, dessen lange, ununter-
brochene Dächer ohne jede Giebelzier zu diesem
Zwecke alle beitragen. Gegen Abend bilden die
einfachen Dächer, die hohen und stattlichen Schorn-
steine ein sehr anziehendes Bild, das sich klar
vom Himmel abhebt und sich in dem unten
ruhig fliessenden Strom widerspiegelt. Wenn man
sich dem Hause von der Brücke aus nähert, bildet
das weitbogige Tor einen Rahmen zu einem ver-
lockenden Ausblick nach der schattigen Veranda
des Klosters, mit einem Durchblick durch die kräf-
tigen Eichenpfosten auf den dahinter liegenden
sonnigen Hof. Ueber der grossen Türe hängt eine
alte Glocke, deren sanfte Töne im Kloster wider-
hallen. Hinten im Garten liegt die Kegelbahn,
von dunkeln Eibenbäumen umrahmt. V

V Die Räume im Innern sind alle rechteckig, mit
dem Licht auf der Langseite. Die Fenster der
Wohnzimmer, der Kirche und der Schlafzimmer,
die auf den Garten hinausgehen, haben so den
Genuss vollen Sonnenscheins, während die Küche
nach der kühlen Seite zu liegt. Am Ende des
Kirchenschiffs ist eine Galerie, von der eine be-
sondere Treppe nach einem kleinen Studierzimmer
unter dem Dach führt, das somit in tiefster Ruhe
liegt. Das Kirchenschiff hat ein offenes Dach von

sichtbarem, axtrecht behauenem Gebälk. Über-
haupt ist es durchweg das Bestreben der Ar-
beiter gewesen, maschinelle Vollkommenheit zu
vermeiden und in Übereinstimmung mit dem Cha-
rakter jedes Materials zu arbeiten. Die Blei-
verglasungen der Wände sind mit durchscheinenden
inneren Schalen der chinesischen Auster gefüllt,
die ein schönes, weiches Licht geben. Der Ge-
brauch der Farbe beschränkt sich auf den Bal-
dachin, der in mauve, blau und Silber behandelt
und mit Perlmuttereinlagen geschmückt ist. Nur
die kleine Betkapelle im Schlafzimmer ist bunter
gehalten. Der Garten ist in geraden Alleen an-
gelegt; jede führt für sich in einen kleinen Hof —
diese Höfe alle sollen wie Räume im Freien an-
muten, wie ja schliesslich der Garten selbst ein
Haus im Freien darstellt. V

V Das Ganze ist umschlossen von einer grauen

Steinmauer, über die die Blütenzweige des Obst-
gartens und in der Ferne die Wiesen und Hügel-
wellen hereingrüssen. V

V Das Markthaus für eine kleine Provinzstadt ist

für ein steil abfallendes Terrain entworfen. Das
Hauptgebäude besteht aus einer Versammlungshalle
und einer kleinen Bibliothek, die beide ihren Ein-
gang auf der höheren Seite haben. Unter der Halle
ist der Kornmarkt, dem sich der Hof für den
grossen Markt anschliesst. An zwei Seiten des
Hofes ziehen sich Dächer hin für die Marktstände,
für die unter dem Spritzenhaus ein Lagerraum vor-
gesehen ist, wenn sie abgeschlagen werden. An
Markttagen würde der Hof durch Stände von der
malerischen Schirmart gefüllt sein; diese würden
sich um die Pumpe in der Mitte und um die
Sonnenuhr gruppieren, wobei die höhere Seite des
Hofes offen bliebe, um einen guten Aussichtspunkt
auf die sich unten abspielende geschäftliche Szene
zu gewähren. V

V V V V V

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