IX 'MODERNE BAI T ÜRMEN •<
ARCHITEKT ALBERT EITEL IN STUTTGART
Albert Eitel ist vor allem in Stuttgart und Um-
gebung, aber auch über die Grenzen seines
schwäbischen Vaterlandes hinaus ein bekannter
Künstler. In umfassender Vielseitigkeit erschöpft
er gleichsam seine Bauaufgabe, ganz gleich ob Kauf-
haus, Theater, Wohnhaus oder Verwaltungsbau bis
auf den letzten Rest ihres Inhaltes, und infolgedessen
muss fast notwendig die Leistung am Ende eine
musterhafte sein. V
V Das sieht man in erster Linie an den Grundrissen.
Schwierigkeiten, wie sie schon der Bauplatz des
neuen Stuttgarter Schauspielhauses gibt,
(erbaut im Vereine mit Architekt Steigleder und
für die Ausgestaltung der Innenräume unter Mit-
wirkung von Architekt Aug. Koch) werden mit
Kraft und Eleganz bezwungen, ja geben geradezu
Veranlassung zu Lösungen, die dem Fachmann
höchstes Interesse und Bewunderung abgewinnen.
Auf einem sehr bescheidenen Grundstück mussten
der Rentabilität wegen zugleich noch ein Geschäfts-
haus mit Läden und ein Restaurant errichtet werden,
so dass der an und für sich schon kleine Platz für
das Theater erheblich geschmälert wurde. Dann
sollten bei allerEngesämtlicheSicherheitsmassregeln,
die ein neuzeitlicher Theaterbau erheischt, beob-
achtet werden — und schliesslich verlangte die
Strasse eine Beugung der Front. V
V Das was Eitel und Steigleder geschaffen haben,
hat aber allen Anspruch auf Eleganz im besten Sinne
des Wortes. Das Zuschauerhaus umfasst ein Parkett,
zwei Ränge und Gallerie mit zusammen 750 Sitz-
plätzen. Die Ränge haben ihre besonderen mit der
Strasse in Verbindung stehenden Treppen. V
V Die Nachbarschaft an der Strasse lässt vom Theater
nur wenig übrig: lediglich den Eingang und darüber
das Foyer mit den vornehmen schlanken Fenstern
und der einfachen Kuppelverdachung. Dieser Fassa-
denteil nun ist mit viel Liebe und, soweit es die
beschränkten Mittel zuliessen, lebhaft und reich
vomBildhauerBredow-Stuttgartim Detail behandelt
worden. V
V Wie sich aber dieser einzige Theaterteil in die
umgebende Architektur einpasst, gleichsam als ver-
mittelndes Glied an der Schwenkung der Strasse
die Nachbarmassen fasst, und die eine (rechts) rück-
wärts, die andere (links) einwärts zwingt, das möchte
ich als besonders anerkennenswerte Leistung der
neuzeitlichen Bauweise hervorheben, die gelernt hat,
die Strasse als Ganzes, das Flaus als Teilglied dieses
Ganzen zu betrachten. V
V Eine zweite vom selben städtebaulichen Gesichts-
winkel aus beachtenswerte Lösung gibt Albert Eitel
im Haus der „Mar i en p fl ege“ in Stuttgart. Der
Zugang ins Haus von einer engen Strasse aus wird
dadurch erreicht, dass der Baukörper in kleinerem
Winkel zur Strasse vorwärts schwenkt, und dadurch
einer mit grosser Sorgfalt behandelten Eingangshalle
Platz gibt. Durch diese Schwenkung wird der Bau-
körper aber zugleich in den rechten Winkel gebracht,
wodurch die architektonische Behandlung der Schau-
seiten in einfacher behaglicher, dem schwäbischen
Spätbarock verwandter Form ermöglicht wird. V
V Dieses Eingehen Eitels auf die tonangebende
Umgebung zeigt sich auch da, wo Strassenfluchten und
Nachbarhäuser fehlen: im Einzelwohnhausbau.
V Das Gartenhaus der Frau GeheimratJ. von
Siegle-Stuttgart, das er nach den Ideen des Herrn
von Ostertag-Siegle auf einem bestehenden mit Efeu
umwachsenen Mauerrondell errichtete, mit der
prächtigen Aussicht in die Landschaft, und in seiner
glücklich sonnigen Lage ist ein sprechender Beweis
dafür. Die Bauabsicht war, einen Sommeraufenthalt
zu schaffen, unweit vom Haupthause, aber doch
wieder entfernt genug, um allein zu bestehen.
Nach Wunsch sollten ein Paar Räume auch als
Schlafzimmer eingerichtet werden können, und ein
Bad vorhanden sein. Im übrigen hiess die Aufgabe:
sich der Natur anpassen, für Luft und Licht und
Freude sorgen. V
V Eitels Werk zeigt die Erfüllung dieser Aufgabe
in anmutigen Formen. Das rokokoklassische Oval
beherrscht die Baumassen, die sich in den Hof und
ein Zimmer trennen, an das sich drei Erker und die
Treppe schliessen. Die Wirtschaftsabteilung legt
sich seitlich daran. Der Aufbau schliesst sich nach
oben in einer flachen Kuppel — er schliesst damit
gleich die ganze Hügelkuppe so ab, wie man es im An-
schluss an die Natur sich nicht besser wünschen kann.
V Im Innern mutet uns das Ganze klassifizierend
an: die Raumausstattung wurde absichtlich in diesem
vornehm-gemütlichen Kolorit gehalten, das die Mitte
hält zwischen der Steifheit des Empire und der
Saloppe des Rokoko. Geblümte Stoffe auf den
Sitzmöbeln, Blumen überall wo Licht ist, offene
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ARCHITEKT ALBERT EITEL IN STUTTGART
Albert Eitel ist vor allem in Stuttgart und Um-
gebung, aber auch über die Grenzen seines
schwäbischen Vaterlandes hinaus ein bekannter
Künstler. In umfassender Vielseitigkeit erschöpft
er gleichsam seine Bauaufgabe, ganz gleich ob Kauf-
haus, Theater, Wohnhaus oder Verwaltungsbau bis
auf den letzten Rest ihres Inhaltes, und infolgedessen
muss fast notwendig die Leistung am Ende eine
musterhafte sein. V
V Das sieht man in erster Linie an den Grundrissen.
Schwierigkeiten, wie sie schon der Bauplatz des
neuen Stuttgarter Schauspielhauses gibt,
(erbaut im Vereine mit Architekt Steigleder und
für die Ausgestaltung der Innenräume unter Mit-
wirkung von Architekt Aug. Koch) werden mit
Kraft und Eleganz bezwungen, ja geben geradezu
Veranlassung zu Lösungen, die dem Fachmann
höchstes Interesse und Bewunderung abgewinnen.
Auf einem sehr bescheidenen Grundstück mussten
der Rentabilität wegen zugleich noch ein Geschäfts-
haus mit Läden und ein Restaurant errichtet werden,
so dass der an und für sich schon kleine Platz für
das Theater erheblich geschmälert wurde. Dann
sollten bei allerEngesämtlicheSicherheitsmassregeln,
die ein neuzeitlicher Theaterbau erheischt, beob-
achtet werden — und schliesslich verlangte die
Strasse eine Beugung der Front. V
V Das was Eitel und Steigleder geschaffen haben,
hat aber allen Anspruch auf Eleganz im besten Sinne
des Wortes. Das Zuschauerhaus umfasst ein Parkett,
zwei Ränge und Gallerie mit zusammen 750 Sitz-
plätzen. Die Ränge haben ihre besonderen mit der
Strasse in Verbindung stehenden Treppen. V
V Die Nachbarschaft an der Strasse lässt vom Theater
nur wenig übrig: lediglich den Eingang und darüber
das Foyer mit den vornehmen schlanken Fenstern
und der einfachen Kuppelverdachung. Dieser Fassa-
denteil nun ist mit viel Liebe und, soweit es die
beschränkten Mittel zuliessen, lebhaft und reich
vomBildhauerBredow-Stuttgartim Detail behandelt
worden. V
V Wie sich aber dieser einzige Theaterteil in die
umgebende Architektur einpasst, gleichsam als ver-
mittelndes Glied an der Schwenkung der Strasse
die Nachbarmassen fasst, und die eine (rechts) rück-
wärts, die andere (links) einwärts zwingt, das möchte
ich als besonders anerkennenswerte Leistung der
neuzeitlichen Bauweise hervorheben, die gelernt hat,
die Strasse als Ganzes, das Flaus als Teilglied dieses
Ganzen zu betrachten. V
V Eine zweite vom selben städtebaulichen Gesichts-
winkel aus beachtenswerte Lösung gibt Albert Eitel
im Haus der „Mar i en p fl ege“ in Stuttgart. Der
Zugang ins Haus von einer engen Strasse aus wird
dadurch erreicht, dass der Baukörper in kleinerem
Winkel zur Strasse vorwärts schwenkt, und dadurch
einer mit grosser Sorgfalt behandelten Eingangshalle
Platz gibt. Durch diese Schwenkung wird der Bau-
körper aber zugleich in den rechten Winkel gebracht,
wodurch die architektonische Behandlung der Schau-
seiten in einfacher behaglicher, dem schwäbischen
Spätbarock verwandter Form ermöglicht wird. V
V Dieses Eingehen Eitels auf die tonangebende
Umgebung zeigt sich auch da, wo Strassenfluchten und
Nachbarhäuser fehlen: im Einzelwohnhausbau.
V Das Gartenhaus der Frau GeheimratJ. von
Siegle-Stuttgart, das er nach den Ideen des Herrn
von Ostertag-Siegle auf einem bestehenden mit Efeu
umwachsenen Mauerrondell errichtete, mit der
prächtigen Aussicht in die Landschaft, und in seiner
glücklich sonnigen Lage ist ein sprechender Beweis
dafür. Die Bauabsicht war, einen Sommeraufenthalt
zu schaffen, unweit vom Haupthause, aber doch
wieder entfernt genug, um allein zu bestehen.
Nach Wunsch sollten ein Paar Räume auch als
Schlafzimmer eingerichtet werden können, und ein
Bad vorhanden sein. Im übrigen hiess die Aufgabe:
sich der Natur anpassen, für Luft und Licht und
Freude sorgen. V
V Eitels Werk zeigt die Erfüllung dieser Aufgabe
in anmutigen Formen. Das rokokoklassische Oval
beherrscht die Baumassen, die sich in den Hof und
ein Zimmer trennen, an das sich drei Erker und die
Treppe schliessen. Die Wirtschaftsabteilung legt
sich seitlich daran. Der Aufbau schliesst sich nach
oben in einer flachen Kuppel — er schliesst damit
gleich die ganze Hügelkuppe so ab, wie man es im An-
schluss an die Natur sich nicht besser wünschen kann.
V Im Innern mutet uns das Ganze klassifizierend
an: die Raumausstattung wurde absichtlich in diesem
vornehm-gemütlichen Kolorit gehalten, das die Mitte
hält zwischen der Steifheit des Empire und der
Saloppe des Rokoko. Geblümte Stoffe auf den
Sitzmöbeln, Blumen überall wo Licht ist, offene
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