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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1, Heft 7-12.1908

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Heft 7/8
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70401#0081

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Rundschau

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vorteilhaft und dabei zerstreut, in zum Teil
ungenügenden, zum Teil schwer zugänglichen
Räumen untergebracht, daß sie weder für das
Publikum noch für das Fachstudium ordentlich
zur Geltung kamen. Das meiste war jahrelang
in einem Notbau beherbergt worden, der im
unteren Geschoß des Otto-Heinrichbaues her-
gerichtet war. Hier aber hatte man fast den
Eindruck eines großen Kramladens, in dem Wert-
volles und Wertloses unübersehbar übereinander
gehäuft worden. Wurde dieses Museum von
den Besuchern des Schlosses immerhin bisweilen
mit besichtigt, so war anderes, wie z. B. die
sehr wertvolle Münzen- und Medaillensamm-
lung in einem verschlossenen Zimmer des Rat-
hauses nur mit Mühen und Umständen zu-
gänglich. Daß Heidelberg außer seiner Schloß-
ruine, die man im Vorbeireisen zu besuchen
pflegt, auch noch einiges andere von kunst- und
kulturhistorischem Interesse zu zeigen hat, dürfte
deshalb wenig bekannt sein, sogar unter den
Fachgenossen, ebenso wie unter den hiesigen
Studierenden, von denen mancher junge Kunst-
historiker es schon beklagt haben mag, daß hier
keine ordentliche Sammlung irgendwelcher
Originale der Bildung des Auges zu Hilfe kam.
Das ist nun alles anders geworden. Die
Sammlungen sind jetzt vereinigt, durch eine be-
deutsame Stiftung um eine interessante Abteilung
bereichert, und an neuem Ort völlig neu und
vorteilhaft aufgestellt worden. Ein kurzer Be-
richt möge an dieser Stelle den Fachgenossen
eine allgemeine Vorstellung geben von dem,
was sie bei erneuten Besuchen Heidelbergs —
manchen vielleicht zur Überraschung — hier jetzt
zu gewärtigen haben.
Schon allein das Sammlungsgebäude ist eine
Sehenswürdigkeit: ein köstliches Beispiel bürger-
licher Architektur vom Beginn des XVIII. Jahr-
hunderts, das bis vor kurzem in Privatbesitz und
deshalb auch der Allgemeinheit unzugänglich
gewesen war, und das, wohl erhalten, in der
Geschichte städtischer Baukunst mit Nachdruck
zu verzeichnen wäre. Es ist ein an der Haupt-
straße gelegenes Patrizierhaus vom Jahre 1709
mit einfach-vornehmer Fassade, hübschem Hof,
prächtigem Garten, und mit einer Anzahl reiz-
voll in Stuck und Malerei verzierter Zimmer, ja
größerer Säle, in denen jetzt besonders die
Sammlung Frankenthaler Porzellane ganz stim-
mungsecht wirkt. An- und Ausbauten haben
hinreichenden Raum zur Aufstellung der ver-
schiedenen Abteilungen geschaffen, ohne dem an
sich schon stattlichen und geräumigen Gebäude
von seinem altmodischen stilvoll anziehenden
Reiz zu nehmen.
Eine nicht unansehnliche Abteilung vereinigt

die Funde, welche zum größten Teil erst Er-
gebnisse der in den letzten Jahren in systematischer
Weise und unter fachkundiger Leitung veran-
stalteten Ausgrabungen auf Heidelberger Boden
sind: prähistorische, frühgermanische
(alamannische) und römische Gegenstände,
meist aus Gräbern, in größerer Anzahl, erweisen
die Heidelberger Gegend als Sitz uralter An-
siedlung seit der jüngeren Steinzeit. Der schon
früher gemachte Hauptfund aus römischer Zeit,
das berühmte „Neuenheimer Mithräum" ist aller-
dings bloß in einem guten Abguß zu sehen; das
Original ist bekanntlich damals nach Karlsruhe
übertragen worden. — Im „Lapidarium" reihen
sich an die römischen Grabmäler eine Anzahl
mittelalterlicher an.
Einen breiten Raum nehmen natürlich die
pfälzischen Altertümer ein, Urkunden, kur-
fürstliche und andere Porträts, älteste Ausgaben
des Heidelberger Katechismus, auf die Geschichte
des Heidelberger Schlosses bezügliche Dinge,
Veduten und dergl. Unter den alten Heidelberger
Ansichten mag eine solche des Gerrit Berck-
Heyde erwähnt werden. Auch ein Porträt des
berühmten Perkeo von der Hand des kurfürst-
lichen Hofmalers Adriaen v. d. Werff soll nicht
vergessen werden. Eine von dem „Maler
Müller" in Öl gemalte Darstellung des Neckartales
dürfte vor allem die Literarhistoriker interessieren.
In das bürgerliche und studentische Leben der
Stadt im XVIII. und XIX. Jahrhundert führen uns
zahlreiche „Heidelbergensia". Den größten
Reiz unter ihnen übt entschieden ein wohl einzig
dastehendes kleines Kupferstichkabinet aus,
das aus einem anderen alten Hause vollständig
mit seinen hölzernen, mit Schnitzornamenten
versehenen Wandverkleidungen und den in die
letzteren als Schaustücke eingelassenen vielen
Stichen (meist von Wille und seiner Schule) in
die Sammlung als Ganzes übertragen worden
ist: ein köstliches „Museum" im Stile Louis XVI.
eines Heidelberger Kunstliebhabers aus der zweiten
Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, wie ich es derart
noch nirgendswo anders gesehen zu haben glaube,
wie es aber in jener klassischen Zeit des Kupfer-
stidisammelns geradezu typisch gewesen sein muß.
Das Hauptinteresse aber nehmen wohl drei
Abteilungen in Anspruch. Die eine ist die köst-
liche Sammlung Frankenthaler Porzellans,
um die manches größere Museum neidisch sein
könnte. Die andere ist die numismatische Ab-
teilung, welche, vorzüglich aufgestellt, untervielem
anderen eine wertvolle Reihe köstlicher Stücke
der Renaissance und späterer Zeit zur Geltung
kommen läßt. Inbezug auf ihr Spezialgebiet, die
pfälzisch-wittelsbachichen Münzen und
Medaillen dürfte sie wohl bloß in der Münchener
 
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