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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1, Heft 7-12.1908

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Heft 7/8
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70401#0080

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

erhalten werden können, daß sie sich den
wechselnden Aufgaben der Zeit anpassen." Die
Frage nach einer Neugestaltung der öffentlichen
Sammlungen, vor allem solcher, die Werke des
Kunstgewerbes umfassen, beschäftigt die Kunst-
wissenschaft und auch die Kunst selbst schon
seit längerer Zeit; immer dringlicher wird bei
Kunstgelehrten der Wunsch, immer fühlbarer bei
Künstlern das Bedürfnis, daß solche Sammlungen
den Zwecken dienstbar, präziser ausgedrückt:
leichter dienstbar gemacht werden müssen, die
in der Gegenwart den angewandten Künsten
zugewiesen werden. Die Erkenntnis hat —
heute übrigens auch schon in Laienkreisen —
ganz allgemein Geltung gewonnen, daß den in
unseren Museen bewahrten künstlerischen Be-
sitzständen eine bildende Kraft innewohnt, die
weit über die geschichtliche Bedeutung der Kunst-
werke hinausweist. Sie sind mehr als nur Zeug-
nisse und Vermächtnisse der Vergangenheit; sie
sind oder sollen zugleich sein Nachweise für
den Gang der Entwicklung künstlerischer Kultur,
sollen lehren, als solche die Wege zur Weiter-
entwicklung zu zeigen. Aus dieser Erkenntnis
ergibt sich ohne weiteres die Pflicht, diese Be-
sitzstände der Allgemeinheitzugänglich zu machen,
sie den Zeitforderungen entsprechend zu ge-
stalten und zur Schau zu stellen.
Nun hindert ja Hr. v. Rüger gewiß in keiner
Weise die Zurschaustellung der sächsischen
Museumsschätze für die Allgemeinheit; aber sein
Verdienst als Pfleger und Hüter dieser Schätze
wird erst vollgültig, wenn er den Anregungen
sein Ohr schenkt und gegebenenfalles auch vor
der Bewilligung größerer Mittel nicht zurück-
schreckt, die Hr. v. Seidlitz in seiner mehr-
erwähnten Schrift gibt. Im Rahmen der dies-
jährigen Dresdner Kunstausstellung befindet sich
eine kleine Sonderausstellung, die den Titel
führt „Kunst und Kultur unter den sächsischen
Kurfürsten"; sie ist so etwas wie der Versuch
einer praktischen Ausführung der Seidlitzschen
Vorschläge, denn sie stellt in einer Anzahl von
Räumen Stilzimmer (Renaissance, Barock, Rokoko
und Zopf) dar. Freilich ist diese Ausstellung
und kann ja auch nicht mehr sein als ein Ver-
such. Hätte man mehr aus ihr machen wollen,
so hätte man für sie erstens weit größere und
auch mehr Räume zur Verfügung haben müssen,
und zweitens würden den Dresdner Museen,
wenn auch nur vorübergehend, mehr Besitz-
stücke haben entzogen werden müssen, als sich
mit der Öffentlichkeit dieser Museen vereinbaren
ließ. Trotzdem aber ist die Ausstellung ein
interessantes Beispiel für die Form, welche der
gewaltigen Schöpfung gegeben werden müßte,
an die Hr. v. Seidlitz denkt. Es wäre eine

Kulturtat von eminenter Bedeutung, wenn die
unermeßlichen Schätze, die in den sächsischen
Sammlungen heute z. T. so gut wie verborgen
ruhen, der Allgemeinheit des Volkes in Gestalt
eines Einheitsmuseums zugänglich gemacht
würden, wenn man, um noch einmal Hrn. v. Seid-
litz selbst reden zu lassen, in Zukunft ganz dar-
auf ausginge „den künstlerischen Wert der
einzelnen Stücke zu betonen und ins rechte
Licht zu setzen, also den Geschmacksstandpunkt
zur Geltung zu bringen gegenüber dem bloß
geschichtlichen oder einem sonstigen rein wissen-
schaftlichen; da in Sammlungen, welche nach
den letztgenannten Gesichtspunkten angelegt sind,
Unterschiede der angegebenen Art nur in unter-
geordnetemMaße berücksichtigt werden können."
Ein erster Anfang zur Neuordnung der König-
lich Sächsischen Sammlungen ist schon heute
möglich, und zwar ohne daß dafür auch nur ein
Pfennig ausgegeben zu werden braucht: durch
Austausch von Kunstwerken zwischen den König-
lichen Museen und anderen staatlichen Samm-
lungen. Um an einem Beispiel das klar zu
machen: das Königl. Kunstgewerbemuseum zu
Dresden besitzt in seiner Porzellanabteilung u. a.
die einzigen noch vorhandenen Exemplare zweier
Kaendierarbeiten: die beiden Gebälkträger zu
dem sogenannten Ehrentempel und die Gruppe
„der Triumphzug der Galathea". Wie wertvoll
wären diese beiden kostbaren Stücke zur Er-
gänzung des Kaendieroeuvres in der Königl.
Porzellansammlung, deren Besitzstände gerade
an Kaendierarbeiten überaus lückenhaft sind!
Ganz ähnlich liegen die Dinge zwischen dem
Königl. historischen Museum mit der Gewehr-
galerie und der Arsenalsammlung. Auch in
dieser befinden sich zahlreiche Stücke, die zur
Komplettierung der Bestände der erstgenannten
Sammlung von eminentem Werte wären. Nach
der Erklärung des Ministers v. Rüger stehen
dem gegenseitigen Austausche solcher Kunst-
werke der Museen untereinander die Gesetze
über das Königlich Sächsische Hausfideikommiß
entgegen. Aber es müßte doch wohl angängig
sein und würde ganz gewiß die Zustimmung
des Königs Friedrich August von Sachsen finden,
diese Gesetze dahin abzuändern, daß solche
Austausche in Zukunft möglich werden. Denn
es handelt sich hierbei ja nicht um einen Besitz-,
sondern nur um einen Ortswechsel. wd.

HEIDELBERG ============
Die „Städtischen Sammlungen". Heidel-
berg ist in die Reihe der Museumsorte getreten.
Nicht als ob es bisher der Stadt an Sammlungen
gefehlt hätte. Aber dieselben waren so un-
 
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