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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1, Heft 7-12.1908

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70401#0218

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Rundschau

799

Middleton nennt aber keiner. Es existiert nämlich
(in der Hamburger Kunsthalle) die genaue eigen-
händige Studie Rembrandts zur Radierung, natür-
lich im Gegensinn, auf der bereits der Heilige
und der Löwe, der Baum, die Landschaft mit
Turm und Brücke erscheinen. Die Zeichnung ist,
obwohl längst publiziert (Lippmann III, 133,
Hofstede de Groot 345), wenig bekannt geworden.
Nur Neumann erwähnt sie beiläufig (Rembrandt
445). Mit der Hamburger Zeichnung ist nun
zweifellos erwiesen, daß schon in diesem Ent-
wurf die ganze Komposition der künftigen
Radierung, Figuren und Landschaft, festgelegt
war, also auch von Rembrandt selbst radiert
sein muß. Übrigens irrt Middleton, wenn er
zwischen Figuren und Landschaft einen Qualitäts-
unterschied zu erkennen glaubt. In den späten
Abdrücken des zweiten Zustandes, bei denen
die Grate der kalten Arbeiten geschwunden sind,
ist die einheitliche Gleichmäßigkeit aller geätzten
Linien deutlich zu erkennen.
Auf der Rückseite unseres Blattes haben
frühere Sammler ihre Besitzzeichen angebracht,
die es ermöglichen, die Schicksale des Exemplars
in den letzten 60 Jahren zu erzählen. Das Blatt
gelangte 1842 in den Besitz des eifrigen Pariser
Sammlers F. Debois. Diese Sammlung wurde in
Paris 1844 und 1845 versteigert. Der Hieronymus
kam im April 1845 unter den Hammer und
brachte 905 Fres.1) Wer es erworben hat, ist
mir nicht bekannt. Das Blatt kam damals oder
später in die Sammlung des Herzogs von
Buccleugh, 1887 in London versteigert.2) Der
Londoner Kunsthändler Thibaudeau erstand es
für ^ 124. Von ihm erwarb es Dr. August
Straeter in Aachen, der es aber zu einem nicht be-
kannten Zeitpunkt an Dr. Kallmann in Berlin
weitergab. Als die Sammlung Straeter nach dem
Tode des Besitzers 1898 in Stuttgart bei H. G.
Gutekunst zur Auktion kam, war unser Blatt
nicht mehr in der Sammlung, überhaupt kein
erster Zustand des Hieronymus, nur ein zweiter,
der für 1330 Mark vom Berliner Kabinett er-
worben wurde. Der Entschluß Straeters, sich
des früheren Abdruckes bald nach der Erwerbung
wieder zu begeben, wird nach Kenntnis dieses
Exemplars des zweiten Zustandes einigermaßen
erklärlich. Denn es ist ein vorzüglicher Abdruck
mit viel Grat, er steht dem ersten Zustand in
der Tat sehr nahe. Das unterscheidende äußere
Merkmal zwischen dem ersten und dem zweiten

') Auktionskatalog III. Teil, S. 21 Nr. 963. Ich verdanke
die Mitteilung Herrn Dr. Max Geisberg in Dresden.

2) Die Angabe des Auktionskataloges bei Nr. 1856,
daß das Blatt aus der Sammlung Hawkins stamme, ist
falsch, bei Hawkins (Auktion London 1850) kam nur der
zweite Zustand des Hieronymus vor, ausdrücklich als
solcher bezeichnet, der erste nicht.

Zustand besteht in einer Änderung an den
Brückenpfosten, die für die künstlerische Wir-
kung bedeutungslos ist. Sie ist vom Künstler
als zeichnerische Verbesserung hinzugefügt wor-
den und muß als solche auch anerkannt werden.
So kann man sich wohl denken, daß Straeter,
durch die glänzenden Eigenschaften eines zweiten
Zustandes verleitet, den kaum erworbenen ersten
Zustand wieder abstieß. Doch er hat falsch ge-
wählt, und für das Berliner Kupferstichkabinett
wurde glücklicherweise anders entschieden. Selbst
ein so vorzüglicher Druck wie der ehemals
Straetersche wird vom ersten Zustand doch in
der Eigenschaft übertroffen, die die wesentlichste
Wirkung in Rembrandts späteren Radierungen
ausmacht, das ist die Arbeit mit der kalten
Nadel. Diese Arbeit druckt, natürlich mit be-
absichtigtem Effekt, breit und saftig nur in den
ersten Abdrücken von der Kupferplatte. Viele
der feineren Grate gingen offenbar schon nach
wenigen Drucken verloren. Gerade die Ver-
gleichung der beiden ehemals Straeterschen
Blätter, die jetzt in der Berliner Sammlung
möglich ist, ergibt, wie viel mehr an feiner
Gratarbeit der erste Zustand vor dem zweiten
aufweist. Damit gibt auch der erste Zustand
mit dem viel reicheren Druck ein wesentlich
besseres Bild der vom Künstler gewollten
Wirkung.
Mit der Sammlung Kallmann wurde der
Hieronymus 1906 bei C. G. Boerner in Leipzig
versteigert und für 7100 Mark für das Berliner
Kupferstichkabinett erworben. Aus äußeren
Gründen konnte das Blatt erst kürzlich der
Sammlung einverleibt werden.
Auch für die Steigerung der Preise, die für
Rembrandts Radierungen gezahlt wurden, ist
die Geschichte unseres Blattes interessant. Es
wurden nach deutschem Geld berechnet für das-
selbe Exemplar des Hieronymus bezahlt
1845 724 Mark
1887 2480 Mark
1906 7100 Mark
Es wurde also nach 42 Jahren mehr als das
Dreifache des ersten Preises gezahlt und nach
weiteren 19 Jahren wiederum beinahe das Drei-
fache. 1906 wurde das Zehnfache des Preises
bezahlt, den dasselbe Blatt vor 61 Jahren ge-
kostet hatte.
Das zweite Blatt, das unter den neuen Er-
werbungen der Erwähnung wert erscheint, ist
eine unbeschriebene und bis jezt nur in dem
einen Exemplar bekannte Eisenradierung von
Daniel Hopfer. Das Blatt kam im November
1907 in Wien zur Versteigerung (Kupferstich-
sammlung aus dem Besitz des Fürsten Metter-
 
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