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Monatshefte für Kunstwissenschaft
nich, Gillofer & Rausdiburg und Wawra, Nr. 491,
eine verkleinerte Abbildung im Katalog). Es ist
ein Bildnis Christi, im Profil nach rechts ge-
wendet, eine Wiederholung des wahrhaftigen
Bildnisses Christi, der vera icon, die auf einen
geschnittenen Smaragd zurückgeht, der einst den
oströmischen Kaisern gehörte, dann in den Be-
sitz des Großtürken gelangte und vom Sultan
Bajazid II. dem Papst Innocenz VIII. geschenkt
wurde.1) Daß Nachbildungen im Abendland schon
bekannt waren, bevor die Camee nach Rom
kam, beweist das kleine Bild des Jan van Eyck
in der Berliner Galerie, das ebenfalls die vera
icon wiedergibt. Ihre Kopien wurden vom Ende
des XV. Jahrhunderts häufig. Daniel Hopfer hat
auch hier gewiß nach fremder Vorlage gearbeitet,
nach welcher, kann ich nicht sagen, jedenfalls
aber nicht nach den beiden deutschen Holz-
schnitten des XVI. Jahrhunderts, die die vera
icon zeigen, von einem unbekannten Meister
vom Jahre 1507, und von Burgkmair. Ich ver-
mute, daß Hopfer hier ein italienisches Urbild
kopiert hat. Da Eduard Eyssen nachgewiesen
hat,, daß Daniel Hopfer nach Mantegna, Mon-
tagna, Rafael und Marcanton gearbeitet, ist die
Mutmaßung unbedenklich. Aber das bestimmte
Vorbild kann ich nicht nennen.
Das dritte Blatt ist ein Kupferstich des nieder-
ländischen Meisters, der seine kleinen Blättchen
mit S, SF oder auch (und das in den meisten
Fällen) gar nicht bezeichnet. Bartsch kannte nur
ein Dutzend Stiche dieses Meisters, darunter
Kopien nach Lucas van Leyden, Passavant
brachte das Verzeichnis der Werke des Meisters S
und seiner Schule auf 289 Nummern. Das Werk
ist aber umfangreicher, denn in jeder Sammlung
finden sich noch unbeschriebene Blätter, so daß
im ganzen wohl 400 Stiche aus dem Atelier des
Meisters hervorgegangen sind. Bei dem kleinen
Umfang der Stiche, der keineswegs sehr sorg-
fältigen Ausführung überragt die Summe nicht
die Arbeitsmöglichkeit eines einzelnen. Passa-
vants Erweiterung des S auf ihn und seine
Schule möchte ich ablehnen, ich erkenne zu ge-
ringe Unterschiede zwischen den bezeichneten
und unbezeichneten, zwischen den früheren und
späteren Blättern. Der Meister S ist sicher kein
hoch zu rühmender Künstler, aber gewiß eine
interessante Erscheinung. Er hat ein doppeltes
Gebiet. Einmal ist er Ornamentstecher, er sticht
Entwürfe namentlich von Monstranzen zum Ge-
brauch der Goldsmiede. Daß er selbst Gold-
schmied gewesen sei, wird daraus, wie bei allen
Ornamentstechern, gefolgert. Die zweite Gruppe
9 Bode, Zeitschrift für christliche Kunst, I 347.
2) Kaemmerer, Hubert und Jan van Eyck, 97.
, Ed. Eyssen, Daniel Hopfer, 3, 9, 41, 43.
seiner Arbeiten umfaßt kleine Blättchen mit
religiösen Darstellungen, bestimmt die teueren
Miniaturen in den Gebetbüchern zu ersetzen.
Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt ein
interessantes Exemplar eines solchen geschrie-
benen Gebetbuches mit 48 Stichen des Meisters S.
Die Stiche sind nicht eingeklebt, sondern auf
Bogen gedruckt, die Raum für die Schrift lassen.
Die Abdrücke waren also von vornherein für
die Verwendung zum Buche bestimmt. Nach
dem Dialekt der Inschriften auf Stichen des S.
und nach dem Brüsseler Wahrzeichen, dem
Manneken Pis, das einmal (Passavant 266) als
Brunnenfigur benutzt ist, wird der Meister nach
Brüssel gewiesen. Mit Brüsseler Bildern und
Skulpturen geht sein Stil gut zusammen.
Kaemmerer1) stellt ihn in die Nähe des Meisters
vom Tode der Maria. Andere haben ihn mit
Bernaert van Orley in Verbindung bringen
wollen. Durch das neue Berliner Blatt wird nun
erwiesen, das der Meister S schon einige Jahre
vor dem Beginn der erweislichen Tätigkeit jener
beiden Maler arbeitete. Bisher war nur ein
sicheres Datum vom Meister S bekannt: die
Blätter einer Apostelfolge (Passavant 200) sind
1519 und 1520 datiert. Man hätte aber merken
können, daß das ein späteres Datum im Leben
des Meisters sein müsse. Denn die meisten der
Vorlagen für Goldschmiede sind im gotischen
Stil entworfen, einige wenige zeigen Renaissance-
formen. Der Stecher hat also den Wandel im
Stil miterlebt, muß also schon lange vor 1520
gearbeitet haben. Der jüngst erworbene Stich
des Berliner Kabinetts — der Entwurf zu einer
gotischen Pax oder einem ähnlichen Altargerät,
Maria als Schmerzensmutter in der Mitte, um-
geben von 6 kleinen Runden, mit Szenen aus
dem Leben Christi — trägt unten am Fuß der
Kußtafel in sehr kleinen Zahlen die Jahreszahl
1507. Das Blatt, unbeschrieben und unbekannt,
ist zwar nicht bezeichnet, aber zweifellos eine
Arbeit des Meisters S. Es gibt uns ein sehr
viel früheres Datum für die Tätigkeit dieses
Brüsseler Stechers, als bis jetzt bekannt war.
Sein Stil war ausgebildet, bevor die Tätigkeit
des Meisters vom Tode der Maria und des
Bernaert van Orley anfing. Lucas van Leyden,
den er kopiert hat, bestimmt ihn technisch und
künstlerisch. Auch Kupferstiche Dürers konnte
er gekannt haben. Der Schulzusammenhang mit
den beiden erwähnten Malern ist deutlich, eine
direkte Abhängigkeit ist nicht zu konstruieren.
Der Meister S wächst nur auf demselben Boden
wie der Bernaert van Orley, er wächst aber
früher als dieser.
Jaro Springer.
9 Jahrbuch der pr. Kunsts. XI, 160.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
nich, Gillofer & Rausdiburg und Wawra, Nr. 491,
eine verkleinerte Abbildung im Katalog). Es ist
ein Bildnis Christi, im Profil nach rechts ge-
wendet, eine Wiederholung des wahrhaftigen
Bildnisses Christi, der vera icon, die auf einen
geschnittenen Smaragd zurückgeht, der einst den
oströmischen Kaisern gehörte, dann in den Be-
sitz des Großtürken gelangte und vom Sultan
Bajazid II. dem Papst Innocenz VIII. geschenkt
wurde.1) Daß Nachbildungen im Abendland schon
bekannt waren, bevor die Camee nach Rom
kam, beweist das kleine Bild des Jan van Eyck
in der Berliner Galerie, das ebenfalls die vera
icon wiedergibt. Ihre Kopien wurden vom Ende
des XV. Jahrhunderts häufig. Daniel Hopfer hat
auch hier gewiß nach fremder Vorlage gearbeitet,
nach welcher, kann ich nicht sagen, jedenfalls
aber nicht nach den beiden deutschen Holz-
schnitten des XVI. Jahrhunderts, die die vera
icon zeigen, von einem unbekannten Meister
vom Jahre 1507, und von Burgkmair. Ich ver-
mute, daß Hopfer hier ein italienisches Urbild
kopiert hat. Da Eduard Eyssen nachgewiesen
hat,, daß Daniel Hopfer nach Mantegna, Mon-
tagna, Rafael und Marcanton gearbeitet, ist die
Mutmaßung unbedenklich. Aber das bestimmte
Vorbild kann ich nicht nennen.
Das dritte Blatt ist ein Kupferstich des nieder-
ländischen Meisters, der seine kleinen Blättchen
mit S, SF oder auch (und das in den meisten
Fällen) gar nicht bezeichnet. Bartsch kannte nur
ein Dutzend Stiche dieses Meisters, darunter
Kopien nach Lucas van Leyden, Passavant
brachte das Verzeichnis der Werke des Meisters S
und seiner Schule auf 289 Nummern. Das Werk
ist aber umfangreicher, denn in jeder Sammlung
finden sich noch unbeschriebene Blätter, so daß
im ganzen wohl 400 Stiche aus dem Atelier des
Meisters hervorgegangen sind. Bei dem kleinen
Umfang der Stiche, der keineswegs sehr sorg-
fältigen Ausführung überragt die Summe nicht
die Arbeitsmöglichkeit eines einzelnen. Passa-
vants Erweiterung des S auf ihn und seine
Schule möchte ich ablehnen, ich erkenne zu ge-
ringe Unterschiede zwischen den bezeichneten
und unbezeichneten, zwischen den früheren und
späteren Blättern. Der Meister S ist sicher kein
hoch zu rühmender Künstler, aber gewiß eine
interessante Erscheinung. Er hat ein doppeltes
Gebiet. Einmal ist er Ornamentstecher, er sticht
Entwürfe namentlich von Monstranzen zum Ge-
brauch der Goldsmiede. Daß er selbst Gold-
schmied gewesen sei, wird daraus, wie bei allen
Ornamentstechern, gefolgert. Die zweite Gruppe
9 Bode, Zeitschrift für christliche Kunst, I 347.
2) Kaemmerer, Hubert und Jan van Eyck, 97.
, Ed. Eyssen, Daniel Hopfer, 3, 9, 41, 43.
seiner Arbeiten umfaßt kleine Blättchen mit
religiösen Darstellungen, bestimmt die teueren
Miniaturen in den Gebetbüchern zu ersetzen.
Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt ein
interessantes Exemplar eines solchen geschrie-
benen Gebetbuches mit 48 Stichen des Meisters S.
Die Stiche sind nicht eingeklebt, sondern auf
Bogen gedruckt, die Raum für die Schrift lassen.
Die Abdrücke waren also von vornherein für
die Verwendung zum Buche bestimmt. Nach
dem Dialekt der Inschriften auf Stichen des S.
und nach dem Brüsseler Wahrzeichen, dem
Manneken Pis, das einmal (Passavant 266) als
Brunnenfigur benutzt ist, wird der Meister nach
Brüssel gewiesen. Mit Brüsseler Bildern und
Skulpturen geht sein Stil gut zusammen.
Kaemmerer1) stellt ihn in die Nähe des Meisters
vom Tode der Maria. Andere haben ihn mit
Bernaert van Orley in Verbindung bringen
wollen. Durch das neue Berliner Blatt wird nun
erwiesen, das der Meister S schon einige Jahre
vor dem Beginn der erweislichen Tätigkeit jener
beiden Maler arbeitete. Bisher war nur ein
sicheres Datum vom Meister S bekannt: die
Blätter einer Apostelfolge (Passavant 200) sind
1519 und 1520 datiert. Man hätte aber merken
können, daß das ein späteres Datum im Leben
des Meisters sein müsse. Denn die meisten der
Vorlagen für Goldschmiede sind im gotischen
Stil entworfen, einige wenige zeigen Renaissance-
formen. Der Stecher hat also den Wandel im
Stil miterlebt, muß also schon lange vor 1520
gearbeitet haben. Der jüngst erworbene Stich
des Berliner Kabinetts — der Entwurf zu einer
gotischen Pax oder einem ähnlichen Altargerät,
Maria als Schmerzensmutter in der Mitte, um-
geben von 6 kleinen Runden, mit Szenen aus
dem Leben Christi — trägt unten am Fuß der
Kußtafel in sehr kleinen Zahlen die Jahreszahl
1507. Das Blatt, unbeschrieben und unbekannt,
ist zwar nicht bezeichnet, aber zweifellos eine
Arbeit des Meisters S. Es gibt uns ein sehr
viel früheres Datum für die Tätigkeit dieses
Brüsseler Stechers, als bis jetzt bekannt war.
Sein Stil war ausgebildet, bevor die Tätigkeit
des Meisters vom Tode der Maria und des
Bernaert van Orley anfing. Lucas van Leyden,
den er kopiert hat, bestimmt ihn technisch und
künstlerisch. Auch Kupferstiche Dürers konnte
er gekannt haben. Der Schulzusammenhang mit
den beiden erwähnten Malern ist deutlich, eine
direkte Abhängigkeit ist nicht zu konstruieren.
Der Meister S wächst nur auf demselben Boden
wie der Bernaert van Orley, er wächst aber
früher als dieser.
Jaro Springer.
9 Jahrbuch der pr. Kunsts. XI, 160.