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Manchen, 21. Jan. 1918,

gaiitge zar „Werkatatt der Kaaat" (E. A. SeeaasB, Leipzig).
Eraehe!at!4tägig aster LeMnag voa Haler Prof. Eraat Berger.

11V. jahrg. Nr. 9.

Inhalt: Kalte und warme Farben. Von E. B. — Goethes Vorarbeiten zur Farbenlehre. Von E. B. (8. Fort*
Setzung.) — Verschiedene Vergoidungsarten. — Die künstlerischen Ausdrucksmitte], Linie, Licht und
Farbe. — Unsere Matmaterialien im 4. Kriegsjahr.

Kalte und warme Farben.
Von E. B.

Unter Malern wird man häufig die Bezeichnung
„kalt" und „warm" für eine Farbe hören, je nach-
dem sich dieselbe mehr dem Blau einerseits und
dem Gelbrot andererseits nähert, ja vielfach wird
der sog. Farbenkreis in zwei Hälften geteilt, deren
eine von Gelbgrün über Gelb, Orange bis Pur-
purrot, die andere von Blaugrün über Indigo, Ultra-
marin und Blauviolett reicht. Der Maler bezeich-
net somit eine Farbe als umso wärmer, je mehr
sie sich dem Gelbrot nähert, und umso kälter,
je weiter sie sich davon entfernt. Auch Grau
kann warm sein, wenn es ins gelblich und rötlich
spielt, und kalt, wenn es mehr Anteile von Blau
enthält. In gleichem Sinne spricht man von einer
warmen Stimmung eines Bildes, von kalten oder
warmen Lichtern und Reflexen, ebenso auch von
warmer und kalter Beleuchtung. E. Brücke sagt:
„Die Farben an sich, weder diejenigen, mit welchen
wir malen oder färben, noch diejenigen, welche
in uns als Empfindungen leben, können im physi-
kalischen Sinne des Wortes warm oder kalt sein."*)
Die Benennung ist also eine uneigentliche, durch
eine Art Ideenverbindung entstanden, indem wir
die gelbrote und gelbe Erscheinung mit der er-
wärmenden Wirkung einer Flamme oder des Glühens
in Vergleich ziehen, ebenso wie wir die rotgol-
denen Strahlen der untergehenden Sonne, wenn
sie aufs Gebirge scheint, mit „Alpenglühen" be-
zeichnen, obschon von einem Glühen des Berges
gar keine Rede sein kann. Im Gegensatz dazu
bezeichnen wir eine Stimmung mit dem Ausdruck
„kalt", wenn blaue Töne vorherrschen, wie etwa
in einer kalten Winternacht, wenn z. B. der Mond

*) E. Brücke, Physiologie der Farben, Leipzig 1887,
S- :79.

die Schneeflächen bescheint und dgl. Es ist also
vor allem des psychische Moment, das hier
in erster Linie mitspricht, und in diesem Sinne
finden wir bei allen Philosophen, die über Farben
nachgedacht und geschrieben haben, mit der Be-
zeichnung der warmen und kalten Farben deren
Wirkung auf Gemüt und Geist in Beziehung
gebracht. Ebenso bei Goethe, der in dem Ab-
schnitt „Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe"
(VI. Abt. 758f.) vom Gelb sagt, dass es eine „hei-
tere, muntere, sanft reizende Eigenschaft"
habe, während das „Blau uns ein Gefühl der
Kälte gibt". „Blaues Glas zeigt die Gegenstände
in traurigem Licht." Die Ideenverbindung von
Gelb mit Heiterkeit und Munterkeit, von Blau mit
Kälte und Trauer ist hier deutlich zum Ausdruck
gebracht.
Wann in der Malerwelt die Bezeichnung „kalt"
und „warm" für Farbeneindrücke aufgekommen
ist, lässt sich schwer sagen. Vielleicht reicht der
Ursprung davon bis in die Zeit Leonardos zurück,
denn er war der erste, der über die blauende
Wirkung der fernen Gebirge und die Wechselwir-
kung von warmer Beleuchtung und kaltem Schatten
eingehende Nachricht gibt. In der älteren ita-
lienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts
kommt, soviel ich mich erinnere, der Ausdruck freddo
und caldo für kalte und warme Tinten noch nicht
vor; aber das will nicht viel bedeuten, da gar
manche Werkstättenausdrücke sich von Generation
zu Generation fortgesetzt erhalten haben, ohne
dass dieselben in den Schriftquellen nachzuweisen
wären.
Im Gegensatz zu der oben angeführten Ansicht
von Brücke, der ich mich auch in meinem „Hand-
buch der Farbenlehre" (II. Auf). Leipzig 1909,S. 134)
 
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