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RELIGION UND MYTHOLOGIE
I. NACHLEBEN ANTIKER KULTE

iog WEINREICH, OTTO, Menekrates Zeus
und Salmoneus. Religionsgeschichtl.
Studien z. Psychopathologie d. Gott-
menschentums in Antike u. Neuzeit.
Stuttgart: Kohlhammer '33. 130 S.
= Tübinger Beitr. z. Altertumswiss. 18.
Der Arzt Menekrates, der zur Zeit Phi-
lipps von Makedonien lebte — ein Brief von
ihm an den König ist überliefert •— bean-
spruchte auf Grund seiner „lebenverleihen-
den“ Heilkunst göttliche Ehren, ein An-
spruch, der ihm trotz gewisser Proteste von
seinen Zeitgenossen zugestanden wurde.
Auffallend ist, daß er sich nicht mit Askle-
pios, sondern durch eine etymologisierende
Namensmagie mit Zeus identifizierte, des-
sen Beinamen er führte. Er trug Göt-
terkostüm und war von einem Hof-
staat von Anhängern umgeben, die sich als
Herakles, Hermes, Apollo, Asklepios und
Helios bezeichneten, und die sich als Wür-
denträger und Angehörige sozial hochstehen-
der Schichten identifizieren lassen. Die spät-
antiken und frühchristlichen Äußerungen
über ihn (u. a. die Liste der „Überheb-
lichen“ bei Clemens Alexandrinus) gehen
auf zeitgenössische Berichte zurück. W.
fügt seiner religionswissenschaftlich-psy-
chologischen Analyse Parallelen aus der
modernen psychiatrischen Praxis, und Nach-
richten über den frühgriechischen Gott-
oder Priesterkönig Salmoneus hinzu. Die
methodische Bedeutung dieses Buches liegt
darin, daß ohne mystische Überschätzung
die Gestalt des Menekrates als Grenzfall
eines grundlegenden religionspsycholo-
gischen Sachverhalts ernst genommen wird,
nämlich der immer erstrebten und durch
verschiedene Mittel erreichten Annäherung
an die Gottheit: Der psychopatholo-
gische Charakter des Menekrates stammt
„aus dem gleichen Urgrund wie das
Gottesgnadentum der Antike und die
theia mania der Ekstatiker.“ Diese
Verwandlungstendenzen, die in extremen

Fällen bis zum völligen Wegfall der Ver-
gleichspartikel führen, das Besitzergreifen
durch den Namen lassen sich besonders in
Zeiten religiöser und sozialer Unsicherheit,
wie es auch das 4. J ahrh. vor Chr. war, immer
wieder nachweisen; es ist interessant, daß
Menekrates der gleichen Umgebung ange-
hörte wie Euhemeros, dessen mythische gott-
menschliche Genealogien auf die Mytho-
graphie und die Herrschervorstellung der
späteren Jahrhunderte, bis in die Renais-
sance hinein, einen so großen Einfluß aus-
geübt haben: die Aberkennung einer Grenze
zwischen Gott und Mensch, bei Menekrates
eine Praktik, ist die theoretische Grundlage
des Euhemerismus. Der Bruder des Dia-
dochen, zu dessen Gefolge Euhemeros ge-
hörte, ist der Helios aus dem Hofstaat des
Menekrates, der Gründer der vorgeblich
kosmokratisch regierten Stadt Uranopolis,
und damit gewissermaßen das Vorbild aller
Utopisten, die wie Campanella in seinem
„Sonnenstaat“ dem Gottesreich politische
Wirksamkeit verleihen wollen. Die Gottes-
sohnschaft des Menschen, die im antiken
Herrscherkult eine Rolle spielt, geht ins
Christentum über, und wird in Nietzsches
Selbstverwandlung „Ich Dionysos“ und
„Dionysos der Gekreuzigte“ lebendig. Da-
mit wird W.s Buch zu einem interessanten
Beitrag zum Problem des Nachlebens; es
zeigt, wie die religiösen Prägungen der An-
tike die Macht zu verwandeln bewahren,
auch wenn sie als abgelöste Bildungsele-
mente tradiert werden. G. B.
BATES, WILLIAM N„ Aphrodite’s Doves 110
at Paphos in 1932. In: Amer. Journ.
philol. 53, '32, S. 260—61.
Vermutet, daß die in der St. Georgs-
kirche in Paphos auf Cypern, die vielleicht
an der Stelle eines Aphrodite-Tempels
steht, dargestellten Tauben ursprünglich
die Tauben der Aphrodite waren und aus
dem Tempel in die christliche Kirche über-
tragen wurden. H. M.
 
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