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18.-20. JAHRHUNDERT
AUFKLÄRUNG UND KLASSIZISMUS

I. LITERATUR
A.KlassizismusundAufklärung
in Deutschland
i. Allgemeines
TI34 LEISTE, LYDIA, Der Humanitätsgedanke
in der Popularphilosophie der deutschen
Aufklärung. Osterwieck: Zickfeldt '32.
100 S. = Hallische pädogog Studien. 15.
In einer leider schwer lesbaren, aber
gut disponierten Dissertation gibt L. eine
ausführliche Darstellung der Inhalte des
Menschheits- und Bildungsideals der deut-
schen Aufklärung, zu dessen Verwirklichung
Männer wie Abbt, Friedrich der Große,
Garve, Gellert, Kant, Lichtenberg, Men-
delssohn u. a. durch aufklärende, philoso-
phische und pädagogische Schriften bei-
tragen zu können glaubten. Zum Zwecke
historischer Einordnung und schärferer
Profilierung grenzt dieVerf.an entscheiden-
den Punkten ihrer Untersuchung den auf-
klärerischen Humanitätsgedanken von an-
deren, etwa dem christlichen, dem der Re-
naissance, des Humanismus oder der deut-
schen Klassik ab. Am ausführlichsten ver-
gleicht sie den aufklärerischen mit dem
antiken Humanitätsbegriff, mit dem er die
formale Voraussetzung teilt, nämlich daß
der Mensch im Hinblick auf ein Ideal des
Menschen gebildet werden soll, von dem
er sich aber inhaltlich durch das in der Auf-
klärung sehr verengte Ideal des Menschen
unterscheidet. Dem antiken Ideal des in
seinen intellektuellen, künstlerischen, sitt-
lichen Kräften harmonisch gesteigerten und
vollendeten Individuums steht hier gegen-
über das Ideal einer allein durch die Ver-
nunft bestimmten Menschheit.
Neben dem nicht mehr voll verstande-
nen Gesamtbild der antiken Humanität
lebt vor allem die Gestalt des Sokrates in
der Aufklärung. Sokrates wird zum Urbild
des , ,Weisen, der das wahre Mittel hält und
sich zu keiner Extremität verleiten läßt“

(Mendelssohn), und die sokratische Methode
wird zur „natürlichsten und gewöhnlichsten
der Ideenerfinder“ idealisiert und verzerrt.
Schließlich wirken die antiken Klassiker
innerhalb der seit der Renaissance nie ganz
unterbrochenen, nun von den aufkläreri-
schen Pädagogen neu überprüften Bildungs-
tradition als ein Stoff, durch den sich im
Medium der Fremdsprache formales Den-
ken bilden läßt.
J. G. Sulzer empfiehlt in seinen „Ge-
danken über die beste Art die klassischen
Schriften der Alten mit der Jugend zu
lesen“ die Lektüre der antiken Schriftstel-
ler nicht nur als eine Übung des Verstandes,
sondern auch zur Bildung des Geschmacks,
d. h. wohl zu einer allgemein menschlichen
Bildung. In diesem Zusammenhang stellt L.
bei ihm ein von seiner ästhetischen Grund-
haltung ausgehendes tieferes Verständnis
für das „Klassische“ und das Persönlich-
keitsbildende der antiken Schriftsteller
fest. Sie sieht in dieser Aufgeschlossenheit
für die überzeitlich gültige Verwirklichung
des Humanitätsgedankens in der Antike
Ansätze zu einer Überwindung des streng
aufklärerischen Bildungsgedankens. S. B.
UNGER, RUDOLF, Klassizismus und 1135
Klassik in Deutschland. In: Neue Jbb.
f. Wiss. Jugendbildung 8, '33, S.
327—48-
Ohne auf wortgeschichtliche oder Perio-
disierungsfragen einzugehen, versucht U.
hier für die deutsche Literaturgeschichte
eine eindeutige Begriffsbestimmung von
Klassizismus und Klassik. Im Klassizismus
verbindet sich ein historisch-philologisches
mit einem technisch-praktischen Moment;
die Antike wird bewußt und systematisch zur
regelgebenden und ausschließlichen Norm
ausgebildet. Zu vollem Bewußtsein erwacht
der klassizistische Geist des Zeitalters in
Scaliger, bei dem das technisch-praktische
und lehrhafte Interesse in den Vordergrund
 
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