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Nachleben antiker Bildvorstellungen
Bild hätte eine Bedentungs-Verschlechte-
rung erfahren: es symbolisiere hier den
sündigen Menschen. Daß von den Bilder-
werken der spätantiken Mysterienreli-
gionen ein dir ekter Weg zum allegorischen
Bilderkreis der romanischen Plastik führt —
diese Annahme ist kühn und interessant
genug, um eine Widerlegung zu recht-
fertigen, zu der der Verf. selbst das Ma-
terial geboten hat.
Hrabanus, de Universo Lib. XVI, Cap. 6,
beschreibt die Götter der Heiden, darunter
Leviathan, die Wasserschlange. „Levi-
athan“ wird etymologisch als „Hinzu-
fügung“ gedeutet. Die Schlange, dem Men-
schen „hinzugefügt“, verursacht im Para-
dies die Erbsünde. Der Maler stellt daher
als Illustration zum Leviathan in der be-
kannten Handschrift in Montecassino den
von der Schlange Umwundenen dar. Auf
die Ähnlichkeit zwischen dieser Darstellung
und der der Kanzeln hat V. hingewiesen.
Dieser vorzügliche Nachweis macht u. E.
seine Hypothese unwahrscheinlich, ja un-
möglich, daß der Bildhauer ein mithräi-
sches Bildwerk direkt ins Christliche über-
trägt, besonders da die christlichen Pla-
stiken der Miniatur im allgemeinen näher
stehen als den Aionbildern (beide sind z. B.
bekleidet).
Allerdings entsteht damit, daß die ro-
manischen Plastiken nicht als Resultate
einer Renaissance, sondern als Endprodukte
einer Handschriften-Tradition anzusehen
sind, nur ein neues Problem. Gehen die
Hrabanus-Illustrationen direkt auf den
mithräischen Typus zurück, sind sie karo-
lingische Neuschöpfungen, die den Text
wörtlich illustrieren oder setzen sie ihrer-
seits schon eine ältere Handschriften-
tradition voraus ? Goldschmidt hat nach-
gewiesen, daß einzelne Bilder der Heiden-
götter im Hrabanus" auf antike Vorbilder
zurückgehen, aller Wahrscheinlichkeit nach
auf dem Umweg über die uns verlorene
illustrierte Isidorus-Enzyklopaedie (aus der
auch unser Kapitel des Hrabanus-Textes
geschöpft ist). Als der Illustrator des Hra-
banus den Leviathan-Typus schuf, schuf
er ihn zwar als wortgetreue Illustration.
Da er jedoch in einer Umgebung wirkte, in
der die Erinnerung an die Bilder der Heiden-
götter noch lebendig war, schuf er den
Typus nach Analogie des mithräischen Aion.
V.’s Hypothese, daß den kampanischen

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Bildwerken ein Aion-Typus zugrundeliege,
ist somit prinzipiell gerechtfertigt. Dagegen
kann die Annahme nicht aufrecht erhalten
werden, daß kampanische Bildhauer der
romanischen Zeit unmittelbar auf ein
Vorbild aus den Mysterien-Religionen zu-
rückgriffen, um ein Symbol des von der
Sünde umschlungenen Christenmenschen
zu schaffen.
Die Verbindung von Adler und Schlange
ist uralt. Was bedeutet der Adler zu Häupten
des Mannes mit der Schlange ? V. mißt der
Tatsache keine Bedeutung zu, daß der
Mensch zugleich von Adler und Schlange
bedroht wird. Der Sieg des Adlers über die
Schlange gehört zu den Urworten der
Symbolsprache der Menschheit, als Aus-
druck des Sieges des Himmlischen über das
Irdische, des Guten über das Böse. Das
Christentum hat dieses Symbol über-
nommen und die Gruppe häufig dargestellt.
Während in dieser Gruppe das Böse allein
durch die Schlange symbolisiert wird, ist
in der Bilderschrift der kampanischen Kan-
zeln das argumentum drohend gegen den
Menschen gewendet: der Adler schlägt
seine Fänge in das Haupt des in die Sünde
Verstrickten, der den Mund zum Schmer-
zens-Schrei öffnet. Der siegreiche Adler
hält den nieder, der sich von der Schlange
fesseln läßt. Das uralte Symbol von Adler
und Schlange ist hier mit einem Laokoon-
Motiv verbunden. F. S.
RODENWALDT, GERHART, Inter-pre- 409
tatio Christiana. In: Archäol. Anz.
’33, Sp. 401 — 05.
R. stellt die geistreiche Hypothese auf,
daß die einzige Metope der Nordseite des
Parthenon, die bei der Umwandlung des
Tempels in eine christliche Kirche der ge-
waltsamen Zerstörung entgangen ist, im
Mittelalter als Relief der Verkündigung an
Maria gedeutet und deshalb verschont
worden sei. H. B.
3. Weltlicher Bilderkreis
MARLE, RAIMOND VAN, Iconographie 410
de l’art profane. Vol. 2. La Haye:
Nijhoff '32.
Ce deuxieme volume de l’Iconographie
de van Marie, tres riche de faits et d’exemp-
les, magnifiquement illustre, risque pour-
 
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