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Antike Tradition im Mittelalter

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europäische Kultur anzuerkennen: und der
Boden ist der heroischen Rehabilitierung
von Müllers, dem Historismus des katho-
lischen Mittelalters F. Schlegels geebnet.
In diesem sehr wichtigen Buch han-
delt es sich um die Geschichte eines Bildes,
nicht eines Begriffes, indem es die Dar-
stellungen des Mittelalters und die Be-
urteilungen seiner Höhepunkte und seiner

Menschen analysiert. Die begriffliche Pro-
blematik fehlt und, obwohl die verschiede-
nen Bilder der Antike (des Imperium Ro-
manum, der griechischen Kultur, der Phi-
losophie großer Persönlichkeiten der Antike)
mit einer Fülle von Belegen vorgeführt
werden, liegt die Beziehung des Mittel-
alters zur Antike außerhalb der Unter-
suchung. D. C.

II. ANTIKE TRADITION IM MITTELALTER

A. ARCHITEKTUR
731 GLÜCK, HEINRICH, Der Ursprung des
römischen und abendländischen Wöl-
bungsbaues. Wien: Krystall-Verl. '33.
352 s.
G. sieht die Geschichte der Architektur
nicht nur, wie es bisher meist geschah, als
eine Entwicklung innerhalb der Groß-
architektur, als Motivwanderungen inner-
halb des historischen Bereichs höherer
Kunstformen, sondern er führt die ahistori-
sche volkstümliche Grundschicht ein, aus
deren Tiefen sich unter gewissen Bedin-
gungen eine Großarchitektur entwickeln
kann.
Zwischen Nordafrika und Irland bildet
der Massenrundbau und die Tragetechnik
für Gewölbe die Grundlage der boden-
ständigen Bauweise schon seit vorhistori-
scher Zeit. Diese Elemente hält der Autor
für die Keimzellen des römischen sowohl
wie des abendländisch-mittelalterlichen
Wölbungsbaus. Dessen Geschichte stellt
sich für ihn dar als ein Aufeinandertreffen
jener zeitlosen volkstümlichen Schicht mit
Einflußschüben historischer Großarchitek-
turen.
Im ersten Teil des Buches wird innerhalb
der römischen Kaiserthermen die Ausein-
andersetzung des westlichen „strukturlosen
Massenbaus“, wie er sich namentlich in der
nordafrikanisch-punischen Hochkultur do-
kumentiert, mit dem vom Osten vordrin-
genden „organischen Gliederbau“ des Hel-
lenismus im Detail behandelt. Mit der Ver-
legung der Residenz nach Byzanz, also mit
dem Beginn der offiziellen christlichen

Baukunst, ist in der Großarchitektur der
Wölbungsbau durchweg im Abklingen. Das
sporadische Vordringen östlicher Wöl-
bungsformen (z. B. Trompenkuppel) in den
ersten Jahrhunderten n. Chr. hält G. für
relativ irrelevant innerhalb der architekto-
nischen Gesamtentwicklung; der Verfall
der italienisch-römischen Wölbungskunst
wird dadurch nicht auf gehalten. Eine
monumentale Erneuerung der uralten Bau-
weise seit ca. 1000 n. Chr. sieht G. in den
aquitanischen Kuppelkirchen wie in den
Tonnen mit Spitzbogenform in den Kirchen
Südostfrankreichs. Die gleichen Gebiete,
in denen schon im Altertum der Gewölbe-
großbau gepflegt wurde, schließen sich im
Beginn des 2. Jahrtausends wieder zu
ähnlichen Großleistungen zusammen. In
diesem Prozeß ist besonders aufschlußreich
die Stellung der Krypta (Kern des früh-
mittelalterlichen und romanischen Kirchen-
baus) als Überleitung vom primitiven
Hügelgrab zur Monumentalwölbung.
Für das Werden der Gotik wird auf
Strzygowskis Hypothese des Einflusses
skandinavischer Mastenkirchen zurückge-
griffen. Das Zusammentreffen der süd-
französischen Tonne mit der Wandauf-
teilung nordischer Holzkirchen führt in den
Übergangsgebieten (Normandie) zum kreuz-
förmigen Rippengewölbe. Die Entstehung
der Gotik bedeutet also eine Anpassung des
im westlichen Mittelmeergebiet autochtho-
nen Gewölbemassenbaus „an die Prinzipien
des durch die Normannen auf französischem
Boden in Stein umgesetzten und beson-
ders monumentalisierten nordischen Holz-
baues.“ R. W.
 
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