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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 77.1966

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Gembruch, Werner: Die politische Entwicklung in Frankreich während der Zeit der Restauration im Urteil des Freiherrn vom Stein
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https://doi.org/10.11588/diglit.70353#0123

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Die politische Entwicklung in Frankreich
während der Zeit der Restauration im Urteil
des Freiherrn vom Stein*)
Von Werner Gembruch
In der Zeit von 1815 bis zu seinem Tode hat Stein für die innere Entwick-
lung keines anderen Landes auch nur annähernd das gleiche Interesse gezeigt
wie für diejenige Frankreichs. In seinen Briefen brachte er dazu zahlreiche Be-
merkungen und ausführliche Kommentare, dabei auch Hinweise, die erkennen
lassen, daß er zu seiner gründlichen Unterrichtung über die jeweilige politische
Situation in Frankreich regelmäßig französische Zeitungen und Zeitschriften
gelesen und die politische Literatur des Landes eingehend studiert hat '). Wäh-
rend der großen innenpolitischen Krisen, so bei einem Kabinettswechsel und be-
sonders in den Monaten vor und nach der Juli-Revolution, erwartete er immer
mit Spannung die neuesten Nachrichten ans Paris. Demgegenüber war in allen
diesen Jahren seine Anteilnahme selbst an den Vorgängen in England ver-
schwindend gering. Nur gelegentlich und nur beiläufig äußerte er sieli dazu in
einer knappen Bemerkung.
Ein erstes Motiv für dieses Interesse war seine beständige Sorge um den
Frieden Europas. Stein teilte das nach den stürmischen Jahrzehnten der Revo-
lutionskriege und der Kriege Napoleons auf dem Kontinent allgemein verbrei-
tete Friedensbediirfnis. Auf Jahre hinaus, meinte er 1815, sei Ruhe erforderlich
für die europäischen Staaten 2). Ausdrücklich bekannte er sicli zu Geist und
Zielen der Heiligen Allianz, die „zuerst wieder nach Jahrhunderten die christ-
liche Bruderliebe als das Band, so Nationen umschließt, als den Leitstern bei

*) Da der für diese Untersuchung wichtigste 7. Band der neuen Stein-Ausgabe von W. Hu-
batsch bisher noch nicht erschienen ist, wird im Interesse der Einheitlichkeit durchgehend nach
der alten Ausgabe von E. Botzenhart zitiert. Das erscheint deshalb auch gerechtfertigt, weil die
Bände V und VI der neuen Stein-Ausgabe über das hinaus, was zum Thema dieser Untersu-
chung in der alten Ausgabe schon zu finden ist, nicht mehr als zwei kurze Hinweise bringen,
die zudem nichts Neues besagen, sondern das in den von Botzenhart veröffentlichten Doku-
menten bereits vielfach Gebrachte nur bestätigen. Auf beide Stellen ist in den Anmerkungen
verwiesen. Überhaupt zeigt der recht bescheidene Ertrag der neuen Stein-Ausgabe im Hin-
blick auf Steins Urteil über politisch wichtige Fragen für die Jahre nach 1815, daß Botzen-
hart tatsächlich, wie er im Vorwort zum 5. Band erklärte, alle politisch wichtigen Denk-
schriften und Briefe Steins aus der Spätzeit berücksichtigt hat. Die von den Bearbeitern der
neuen Stein-Ausgabe erstmals edierten Quellenstücke bringen nichts Neues für unsere Kennt-
nis seines Urteils über die jeweilige politische Situation sowie über grundsätzliche politische
und soziale Fragen, sondern vermitteln eigentlich nur ein detaillierteres Verständnis von Steins
beständiger tätiger Anteilnahme an den Fortschritten der Monumenta Germaniae Historica
und seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Der größte Teil dieser Quellen-
Stücke war E. Botzenhart zudem bereits bekannt. Er hat bewußt auf ihre Aufnahme ver-
zichtet. Die wohlüberlegten Gründe für diese Beschränkung auf das Wesentliche gab er im
Vorwort zum 5. Band. Man kann danach annehmen, daß auch der 7. Band der Neu-Ausgabe
kaum etwas bringen wird, was zu einer Revision des nach der alten Ausgabe schon möglichen
Verständnisses von Steins politischen und sozialen Anschauungen in den Jahren nach 1815
Veranlassung geben könnte.
') U. a. erwähnt Stein in seinem Briefwechsel von Zeitungen und Zeitschriften: Catholique,
Revue francaise, Journal des Debats, Gazette de France und Globe. Von den politischen Schrift-
stellern der Restaurationszeit führt er an: Montloisier, de Pradt, Eckstein, Barante, Rey,
Lucas, Villemain, Chateaubriand, Dupin, Courier und Du Menil.
2) Freiherr vom Stein, Briefwechsel, Denkschriften u. Aufzeichnungen, ed. E. Botzenhart, Ber-
lin 1931 ff., V. S. 83; vgl. für die Krise von 1830/31 VII, S. 216, 235.
 
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