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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 77.1966

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Fuchs, Konrad: Zur Verkehrspolitik des Herzogtums Nassau 1815-1866
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https://doi.org/10.11588/diglit.70353#0164

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Zur Verkehrspolitik des Herzogtums Nassau
1815—1866
Von Konrad Fuchs

Die territoriale Neugestaltung Deutschlands auf dem Wiener Kongreß hatte
mit dem Herzogtum Nassau einen, von seiner Dimension her betrachtet, beinahe
völlig neuen Staat geschaffen, wenn man ihn mit seinen Vorgängern, den Für-
stentümern Nassau-Diez und Nassau-Usingen, vergleicht. Mit einer Ausdehnung
von 85,6 Quadratmeilen und einer Bevölkerungszahl von wenig mehr als
300 000 gehörte er zu den kleinen deutschen Territorien. Seiner produktiven
Kräfte und seiner geographischen Lage wegen aber kam ihm außerordentliche
Bedeutung zu. Während jedoch die industrielle Produktion, wovon sich z. B.
die der nassauischen Hütten vom Jahre 1822 auf etwa 80 000 Ztr. Roheisen in
Masseln und 30 000 Ztr. Gußwaren belief — davon wurde für den inländischen
Bedarf nur ein geringer Teil verarbeitet, da man hier pro Jahr nicht mehr als
7000 Ztr. Stabeisen und 10 000 Ztr. Gußwaren benötigte —, für eine Reihe der
deutschen Bundesstaaten, insbesondere Preußen, nach denen die übrige Erzeu-
gung exportiert wurde, von hervorragender positiver Auswirkung war, ergab
sich aus der geographischen Lage des Herzogtums eine Vielzahl negativer
Ergebnisse.
Durch die territoriale Neugliederung des nassauischen Staates 1815 war die-
sem zunächst die Möglichkeit der Kontrolle von bedeutsamen Abschnitten der
für den Verkehr so wichtigen Flüsse Rhein, Main und Lahn zugefallen. Zudem
wurde das herzogliche Territorium von mehreren für den Durchgangsverkehr
bedeutenden Landwegen durchschnitten: Durch seine nördlichen Ämter führte
die für den West-Ostverkehr wichtige Köln—Leipziger Straße; der Lahn folgte
die Chaussee von Wetzlar nacli Koblenz; durch seinen südlichen Teil verlief die
von Frankfurt/M. nach Mainz gehende Straße, der für Handel und Verkehr
eine wesentliche Rolle zukam. Für den Verkehr von Norden nach Süden waren
von eminenter Wichtigkeit der uralte Handelsweg von Köln nach Frankfurt/M.,
die sog. Hohe Straße, sowie die aus dem industriell kaum zu überschätzenden
bergisch-märkischen Raum über Siegen und Dillenburg nach Frankfurt/M. füh-
rende Straße. Die Tatsache, daß die Nassau so nahe gelegenen Handelsmetro-
polen Köln, Frankfurt/M. und Mainz sämtlich auf die Verkehrsstraßen durch
das Herzogtum angewiesen waren, verlieh diesem eine besondere verkehrspoli-
tische Bedeutung, die mit der schnellen Zunahme des Verkehrs im Zusammen-
hang mit der rasch fortschreitenden Industrialisierung ständig wuchs. Während
seiner ein halbes Jahrhundert dauernden Existenz hat das Herzogtum die Mög-
lichkeiten, die ihm auf Grund seiner geographischen Lage in verkehrspolitischer
Hinsicht erwuchsen, weder im Interesse eines der deutschen Bundesstaaten noch
im gesamtdeutschen, sondern einzig und allein im eigenen Interesse genutzt ').
Bereits auf dem Wiener Kongreß war offenkundig geworden, daß die hier
anwesenden nassauischen Vertreter nicht bereit waren, auf Rechte zu verzichten,
die ihnen die geographische Lage des Landes verlieh. So hatten sich bei der
Beratung der Rheinschiffahrtsfragen Baden und Nassau am energischsten gegen
den Vorschlag einer gemeinsamen Stromverwaltung zur Wehr gesetzt. Und Mar-
') Vgl. hierzu W. MENN, Zur Vorgeschichte des deutschen Zollvereins. Nassaus Handels- u.
Schiffahrtspolitik vom Wiener Kongreß bis zum Ausgang der süddeutschen Zollvereinsverhand-
lungen 1815^—1827 (Diss. Marburg 1917), Greifswald 1939, S. 27.
 
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