Obrigkeitsstaat und Pressefreiheit
Methoden staatlicher Propaganda und Pressegesetzgebung im 19. Jahrhundert
am Beipiel der preußischen Pressepolitik in Hessen-Nassau (1866—1870)
Von Wolf-Arno Kropat
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Einleitung.233
2. Die Pressegesetzgebung
a. Das Presserecht in Kurhessen, Nassau und Frankfurt vor 1866 . . . 234
b. Das Presserecht in Preußen 1851—1866.241
3. Die staatliche Propaganda
a. Die preußische Pressepolitik in Kurhessen, Nassau und Frankfurt wäh-
rend des Kriegszustandes im Sommer 1866.244
b. Die preußische Pressepolitik in Frankfurt 1866—1868.249
c. Die preußische Pressepolitik in Kurhessen 1866—1870.261
d. Die preußische Pressepolitik in Nassau 1866—1870 268
4. Methoden der preußischen Pressepolitik im 19. Jahrhundert .... 277
1. Einleitung
In den deutschen Verfassungskämpfen des 19. Jahrhunderts erschien den
Liberalen die Verwirklichung des Grundrechtes der Pressefreiheit besonders
dringend. Da das aufgeklärte Bürgertum überzeugt war, daß „Öffentlichkeit
und Diskussion zur Verwirklichung des Rechtsstaates führen" müßten '), er-
blickte es in der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung nicht nur ein unver-
äußerliches Grundrecht neben anderen, sondern sah in ihr die Voraussetzung,
ja das Kampfmittel, um alle übrigen Grundrechte gegen den erbitterten Wider-
stand der Konservativen zu erringen. Jene in traditionellen obrigkeitsstaat-
lichen Vorstellungen denkenden Gegner der freiheitlichen Bestrebungen setzten
sich um so hartnäckiger zur Wehr, als sie nach Verwirklichung der Meinungs-
freiheit über kurz oder lang einen Zusammenbruch der autoritären Herrschafts-
formen fürchten mußten. Mit Recht erblickten sie in der uneingeschränkten
Pressefreiheit den Vorboten der radikalen Demokratie, für die ja das Grund-
recht der freien Meinungsäußerung als charakteristisch gilt.
Nach den ersten hoffnungsvollen Ansätzen zu einer freiheitlichen Gestaltung
des Presserechts in den Jahren nach den Befreiungskriegen und der Revolution
von 1848 brachten die Epochen der Restauration und der Reaktion jeweils
schwere Rückschläge. Erst das Reichspressegesetz vom Jahre 1874 verwirklichte
für längere Zeit — wenn auch nicht für immer 2) — den Gedanken der Presse-
freiheit in Deutschland.
Während diese Entwicklung allgemein bekannt ist, fand eine entgegenge-
setzte Tendenz im Pressewesen des 19. Jahrhunderts erst in den letzten Jahr-
9 Franz SCHNABEL, Deutsche Geschichte im 19. Jh., 2. Aufl., Freiburg 1949, Bd. 2 S. 136.
2) Schon wenige Jahre später brachten die Sozialistengesetze Einschränkungen der Pressefrei-
heit, die nicht nur die sozialistische, sondern auch die liberale Presse betrafen. Audi die Recht-
sprechung des Reichsgerichts entsprach bis in die Zeit der Weimarer Republik hinein in ver-
schiedenen Fragen nicht den demokratischen Vorstellungen über die Freiheit der öffentlichen
Meinungsbildung.
Methoden staatlicher Propaganda und Pressegesetzgebung im 19. Jahrhundert
am Beipiel der preußischen Pressepolitik in Hessen-Nassau (1866—1870)
Von Wolf-Arno Kropat
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Einleitung.233
2. Die Pressegesetzgebung
a. Das Presserecht in Kurhessen, Nassau und Frankfurt vor 1866 . . . 234
b. Das Presserecht in Preußen 1851—1866.241
3. Die staatliche Propaganda
a. Die preußische Pressepolitik in Kurhessen, Nassau und Frankfurt wäh-
rend des Kriegszustandes im Sommer 1866.244
b. Die preußische Pressepolitik in Frankfurt 1866—1868.249
c. Die preußische Pressepolitik in Kurhessen 1866—1870.261
d. Die preußische Pressepolitik in Nassau 1866—1870 268
4. Methoden der preußischen Pressepolitik im 19. Jahrhundert .... 277
1. Einleitung
In den deutschen Verfassungskämpfen des 19. Jahrhunderts erschien den
Liberalen die Verwirklichung des Grundrechtes der Pressefreiheit besonders
dringend. Da das aufgeklärte Bürgertum überzeugt war, daß „Öffentlichkeit
und Diskussion zur Verwirklichung des Rechtsstaates führen" müßten '), er-
blickte es in der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung nicht nur ein unver-
äußerliches Grundrecht neben anderen, sondern sah in ihr die Voraussetzung,
ja das Kampfmittel, um alle übrigen Grundrechte gegen den erbitterten Wider-
stand der Konservativen zu erringen. Jene in traditionellen obrigkeitsstaat-
lichen Vorstellungen denkenden Gegner der freiheitlichen Bestrebungen setzten
sich um so hartnäckiger zur Wehr, als sie nach Verwirklichung der Meinungs-
freiheit über kurz oder lang einen Zusammenbruch der autoritären Herrschafts-
formen fürchten mußten. Mit Recht erblickten sie in der uneingeschränkten
Pressefreiheit den Vorboten der radikalen Demokratie, für die ja das Grund-
recht der freien Meinungsäußerung als charakteristisch gilt.
Nach den ersten hoffnungsvollen Ansätzen zu einer freiheitlichen Gestaltung
des Presserechts in den Jahren nach den Befreiungskriegen und der Revolution
von 1848 brachten die Epochen der Restauration und der Reaktion jeweils
schwere Rückschläge. Erst das Reichspressegesetz vom Jahre 1874 verwirklichte
für längere Zeit — wenn auch nicht für immer 2) — den Gedanken der Presse-
freiheit in Deutschland.
Während diese Entwicklung allgemein bekannt ist, fand eine entgegenge-
setzte Tendenz im Pressewesen des 19. Jahrhunderts erst in den letzten Jahr-
9 Franz SCHNABEL, Deutsche Geschichte im 19. Jh., 2. Aufl., Freiburg 1949, Bd. 2 S. 136.
2) Schon wenige Jahre später brachten die Sozialistengesetze Einschränkungen der Pressefrei-
heit, die nicht nur die sozialistische, sondern auch die liberale Presse betrafen. Audi die Recht-
sprechung des Reichsgerichts entsprach bis in die Zeit der Weimarer Republik hinein in ver-
schiedenen Fragen nicht den demokratischen Vorstellungen über die Freiheit der öffentlichen
Meinungsbildung.