Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 77.1966

DOI article:
Bach, Adolf: Elisabeth Schönemann (Goethes Lili), Friedrich v. Türckheim und ihre Begegnung im EMser Bad im Juli 1778
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70353#0086

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Elisabeth Schönemann (Goethes Lili),
Friedrich v. Türckheim und ihre Begegnung
im Emser Bad im Juli 1778
Mit einer Tafel
Von Adolf Bach
Der junge Goethe mit seinen 25 Jahren und die noch nicht 17jährige Eli-
sabeth Schönemann (1758/1817) ') begegneten sich zum ersten Male um Neu-
jahr 1775 in dem prächtigen Liebeneckschen Hanse am Großen Kornmarkt 7
in Frankfurt a. M., das Lilis Mutter, Susanna Elisabeth, geb. d'Orville, die
einer adligen Hugenottenfamilie entstammte, nach dem Tode ihres Gatten
(gest. 1763) erworben hatte, um darin einem prunkvollen Hauswesen nach
ihrem Geschmack vorzustehen. Das Liebesverhältnis, das sich zwischen beiden
entfaltete, führte (daran war offenbar Goethes Ehescheu schuld) erst im April
des Jahres 1775 zur Zeit der Ostermesse unter dem wohlwollenden Drängen
der „Handelsjungfer" Mlle Helene Delph aus Heidelberg — wenn auch nicht
in den herkömmlichen Formen — zu einer Verlobung. Diese wurde bei aller
Leidenschaft Goethes für Lili von ihm offenbar mit Zurückhaltung hingenom-
men. Die Delphin hatte die bestehenden Widerstände vorher aus dem Wege
zu räumen versucht; aber das war ihr offenbar nicht völlig gelungen.
Da waren konfessionelle Schwierigkeiten: Goethes Familie war lutherisch,
die Schönemanns aber reformiert, Goethes Vater hegte Bedenken gegen die
„Staatsdame" Lili, die das, was er damit ausdrücken wollte, wie sich später
heransstellte, keineswegs war. Lilis Brüder hatten als Großbiirger Grund, ihre
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse höher einzuschätzen als die des jun-
gen Doktor Goethe mit seiner bescheidenen Advokatenpraxis, dessen Vater,
ein Sohn des Gastwirts Frdr. Gg. Goethe im „Weidenhof" auf der Zeil, zwar
einen klangvollen Titel, aber kein Amt und keinen Einfluß hatte, mochte der
Bräutigam auch der Enkel des Stadtschultheißen Textor sein. Der mit der Ver-
öffentlichung des „Werther" sprunghaft wachsende Dichterruhm des künftigen
Schwagers aber stand bei den Geldmenschen, die sie waren, kaum in hohem
Kurs. Wer wundert sich darüber, daß Lilis Familie die Verbindung nicht son-
derlich begünstigte, wenn der junge Bräutigam drei Wochen nach der Ver-
lobung im Mai 1775 für zehn Wochen mit den Grafen Stolberg eine Schweizer-
reise antrat? Wie er sich selbst und vertrauten Freunden gestand, wollte er
auf ihr versuchen, „ob er nicht Lili entbehren könne"; Johanna Fahlmer 2)
gegenüber nennt Goethe sich selbst in einem Brief ans Straßburg am 24. Mai
1775 einen „durchgebrochnen Bären", eine „entlaufene Kazze". Auf der Reise

9 J. W. V. Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung u. Wahrheit, Buch 16 ff. — J. Ries (Hrsg.),
Die Briefe der Elise v. Tiirckheim, geb. Schönemann, Goethes Lili. Frkf. a. M. 1924. F. V.
DÜRCKHEIM, Lilis Bild. Nördlingen 1879. 2. Aufl. von A. Bielschowsky. München 1894. — A. Biel-
schowsky, Friederike u. Lili. München 1900. — F. SERVAES, Goethes Lili. 2. Aufl. Bielefeld
1920. — E. BEUTLER, Essays 1um Goethe. 6. Aufl. Bremen 1957. S. 191 ff.: Lili. Wiederholte
Spiegelungen. — A. RiCHEL, Aus Lilis Elternhaus, in: Archiv f. Sippenforschg. ... 16 (1939),
H. 8. — K. JÜGEL, Das Puppenhaus , ein Erbstück aus der Gontardischen Familie ... Frkf. a.
M. 1857. Neu hrsg. von W. Pfeiffer-Belli. Ebd. 1911. — Über die gleich zu nennende „Handels-
jungfer" Delph s. J. Zeitler (Hrsg.), Goethe-Handbuch, Bd 1 (Stuttg. 1916), S. 369 f. Dort Lit.
2) J. W. V. Goethe, Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abt., 2. Bd. (1887) S. 265.
 
Annotationen