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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 77.1966

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Müller, Karlheinz: Hundert Jahre Regierungsbezirk Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.70353#0319

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Hundert Jahre Regierungsbezirk Wiesbaden
Mit vier Tafeln und einem Diagramm
Von Karlheinz M ü11er*)
Im Alltag der Verwaltung mit einer Aufgabenstellung, die stark auf zu-
künftige Entwicklungen gerichtet ist, gibt es kaum Bezogenheiten zur Ver-
gangenheit und zur eigenen Überlieferung. Diese Tatsache ist um so erstaun-
licher, als die Verwaltungsbehörden, im Gegensatz zu den Gerichten, die in
der Regel zu Entscheidungen aufgerufen sind, die sich auf Fälle reiner Gegen-
wärtigkeit beziehen, meist mit Gegenständen befaßt sind, die nur in längeren
zeitlichen Zusammenhängen sachgerecht erfaßt werden können. Allerdings
haben die Einschnitte der Jahre 1918/19, 1933 und 1945 mit der Negierung
der jeweiligen Vergangenheit nicht gerade dazu beigetragen, das historische
Bewußtsein zu fördern. Das alles gilt aucli für die Behörde des Regierungs-
präsidenten in Wiesbaden.
Die Wiesbadener Regierung wird im Jahre 1966 hundert Jahre alt. Sie hat
als Verwaltungsbehörde den preußischen Staat, dem sie ihre Entstehung ver-
dankt, überdauert. Sie teilt dieses merkwürdige Faktum mit einer großen Zahl
ehemals preußischer Regierungen in den heutigen Ländern Niedersachsen,
Nordrhein/Westfalen, Rheinland/Pfalz und mit ihrer Schwesterregierung in
Kassel. Hier hat sich das alte Wort Otto Mayers bewahrheitet, daß Re-
gierung, das heißt politische Führung, vergeht, Verwaltung aber besteht.
Dieses Überdauern ist auch ein Beweis, für die Notwendigkeit staatlicher
Mittelinstanzen, wie immer zukünftige Reformen sie im einzelnen ausge-
stalten mögen. Über Länder und Zeiten hinweg haben sie sich als vernünftige
und zweckmäßige Gliederungen moderner Staaten erwiesen. Und sie finden
sich in vergleichbarer Größenordnung in der englischen Grafschaft, dem fran-
zösischen Departement und der italienischen Provinz in den uns benachbarten
Staaten Westeuropas wieder.
Der Wiesbadener Regierungsbezirk entstand nach dem deutschen Kriege
von 1866 durch die Okkupation des Herzogtums Nassau und der Freien Stadt
Frankfurt als preußische Gliederung zunächst in der Form eines Zivilgouver-
nements für Nassau und Frankfurt unter dem Freiherrn von Patow am
11. August 1866, dann, nach der Annexion — Besitznahmepatent vom 3. Ok-
tober 1866 — durch die Verordnung vom 22. Februar 1867. Zum ersten Re-
gierungspräsidenten wurde Landrat Gustav von Diest am 2. März 1867 er-
nannt. Er war der Verwalter des seit dem Wiener Kongreß preußischen Krei-
ses Wetzlar und am 31. Juli 1866 zum Zivilkommissar in Nassau ernannt
worden. Mit den Verhältnissen seines neuen Amtsbezirks war er als früherer
Nachbar von Anfang an vertraut. Verwaltungsmäßig trat der Regierungsbezirk
Wiesbaden indessen erst am 1. Oktober 1867 voll in Aktion. Das interessante
Dokument ist im Anhang (S. 303) wiedergegeben. Der hundertjährige Geburts-
tag ist nicht eindeutig zu bestimmen: Der politische Beginn fiel schon in den

*) Der Verf., Regierungsvizepräsident in Wiesbaden, ist der Herausgeber einer Dokumenten-
sammlung, die die hundertjährige Geschichte der Wiesbadener Regierung an Hand von aus-
gewählten Aktenstücken aus den Staatsarchiven in Wiesbaden, Marburg, Berlin-Dahlem,
Koblenz und sonstigen zugänglichen Quellen verfolgt (Karlheinz Müller, „Preußischer Adler
und hessischer Löwe", Hundert Jahre Wiesbadener Regierung 1866'—1966, Dokumente der
Zeit aus den Akten. Wiesbaden: Verl. Kultur u. Wissen 1966 [s. Bespr. u. S. 382']). Die Tafeln
entstammen der Dokumentensammlung. Die Druckstöcke wurden dankenswerterweise vom
Verlag zur Verfügung gestellt.

Nass. Ann. Bd. 77

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